Das Evangelische WortSonntag, 10. 08. 2008, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrerin Susanne Baus (Eisenstadt, Bgld.)
Sie haben sich nicht verhört. Mit diesen Klängen des Ave Maria wurden Sie nicht eingeführt in eine römisch-katholische Marien-Andacht, auch nicht in einen der orthodoxen Gottesdienste anlässlich der Entschlafung Mariens. Als evangelische Pfarrerin wollte ich Sie einladen, zu Beginn der Woche eines tatsächlich noch kirchentrennenden Festes am 15. August sich Gedanken zu machen über das evangelische Bild der Gottesmutter Maria.
Ja, es stimmt, wir Evangelischen kennen dieses Marien-Fest nicht, obwohl mir die orthodoxe Darstellung der Entschlafung Mariens sehr evangelisch erscheint. Auf entsprechenden Ikonen ist Maria bei ihrem Tod stets mit einem friedlichen Gesichtsausdruck dargestellt. Es ist ein Ausdruck der Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen. Gleichzeitig verbinde ich mit orthodoxer Marienverehrung zahlreiche Marienikonen, die die Jungfrau stets mit dem Jesuskind auf dem Arm zeigen und damit auf Christus hinweisen. Dieser Christusverweis verbindet uns Evangelische mit unseren christlichen Glaubensgeschwistern. Eigentlich ist es also zu bedauern, dass wir nicht zumindest den 25. März als gemeinsamen Feiertag begehen, den Tag, dem tatsächlich das Ave Maria seine Entstehung verdankt.
Denn an diesem Tag hat das ganz einfache jüdische Mädchen Miriam erstmals eingestimmt in Gottes Willen mit sich. Auch wir Evangelischen haben gemeinsam mit unseren Geschwisterkirchen die Jungfrauengeburt im Glaubensbekenntnis, ein Bekenntnis zu Gottes Freiheit von jeglicher menschlich, allzu menschlichen Liebe, die oft nur binden will. Maria hat in ihrem Leben gezeigt, dass sie als Mutter liebt bis ins Äußerste der menschlichen Ertragbarkeit, aber ihren Sohn auch freilassen kann. Sie hat auch gezeigt, dass sie als jüdische Frau sich dankbar ergibt in den Willen und die Gnade Gottes, und hat sich damit in die Tradition ihrer jüdischer Ahninnen gestellt wie Hanna und ihre Namensvetterin Miriam, die ein ähnliches Loblied auf ihren Gott anstimmte.
Dieses Loblied, das Magnificat, ist zutiefst protestantisch, denn es protestiert gegen allzu wohl bekannte menschlich-weltlichen Bedingungen. Da dankt eine geringe Magd, eine einfache Arbeiterin selbstbewusst für die göttliche Ansprache. Da weiß eine junge Frau um ihre Würdigung der Schwangerschaft. Und diese Maria hat als Mutter viel mitgemacht. Ihr eigener Erstgeborener redete sie nicht mit „Mutter“ an, sondern einfach als Frau und stellte sie allen anderen Glaubenden gleich. Aber sie hat es verstanden, dem Wort Gottes an sie zu folgen: Maria als Gottesgebärerin, wie es im 5. Jhdt. festgelegt wurde, hat laut den Evangelisten selbst die Zurückweisungen ihres Sohnes hingenommen und eben dennoch an ihn geglaubt. Sie ist ihm gefolgt bis unter sein Kreuz. Was das bedeutet, kann wohl nur eine Mutter wirklich verstehen.
Wenn Evangelische auch das Fest von Mariens Aufnahme in den Himmel am 15. August nicht mitfeiern können, Marias Gehorsam gegenüber dem göttlichen Wort und ihr Glaubensmut als Gottesmutter ist auch uns Vorbild und leitet an zu einem verantwortungsvollen, zu einem liebevollen Leben gegenüber Gottes Wort.
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