Das Evangelische Wort

Sonntag, 31. 08. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Ulrike Wolf-Nindler von der Evangelischen Kirche Tulln (NÖ)

 

 

Ich habe eine Freundin. Es ist eigenartig: Aber genau genommen rede ich wenig darüber. So etwas wie ein "Gut, dass es dich gibt!“ ist meines Wissens unter Freundinnen nicht gerade üblich. Stattdessen spüre ich eine seltsame Scheu darüber zu reden, was mir doch so wichtig ist. - Vielleicht, nein, ganz bestimmt, ist mir mein Bedürfnis nach ihrer Zuwendung und Anerkennung ja auch ein wenig peinlich. Und insgeheim hege ich wohl auch die Befürchtung, dass sie womöglich unsere Beziehung in einem ganz anderen Lichte sehen könnte als ich.
 

Und so klingt das, was mir zum Thema Freundschaft einfällt, dann zunächst einmal eher mysteriös als aufschlussreich: Denn was verstehe ich, was verstehen denn die Leute, so im Allgemeinen überhaupt unter einem Freund, einer Freundin? Die Nachbarin, mit der sie ab und zu auch einmal ins Kino gehen? Einen Kontakt im Chatroom? Oder einen Schulfreund, den man alle 10 Jahre mal zur Klassenfeier trifft?  Jeder mit ein bisschen Lebenserfahrung weiß, dass nicht überall, wo Freundschaft draufsteht, dann auch Freundschaft drinnen ist: 
Da gibt es z.B. so genannte Parteifreundinnen, mit denen man außer dem gemeinsamen Programm nur wenig gemein hat; Und Stammtischfreunde, wo
durch das geteilte Bedürfnis nach lockerer Unterhaltung sogar eine gewisse Nähe zustande kommt; Und Besucher, die immer nur in Verbindung mit einem Geschäftstermin vorbeikommen, weil das für sie oder ihre Sache am nutzbringendsten ist.

 

So betrachtet scheint mir demnach meine anfängliche Scheu durchaus verständlich. Aber es bleibt halt auch viel in einem Nebel ungeklärter Worte, von denen ich womöglich eines Tages bereuen könnte, sie meiner wirklichen Freundin nie gesagt zu haben. Also: Warum sind wir denn nun eigentlich befreundet? Weil wir uns aufeinander verlassen können? – Das ist wichtig. Aber verlassen kann ich mich auf die meisten Kollegen, etliche Bekannte und wenige Verwandte auch.  Weil wir miteinander plaudern und lachen können? – Das ist auch richtig. Aber unsere Freundschaft umfasst mehr als nur den einen oder anderen Tratsch und unseren ähnlichen Humor. Wir bereichern uns auch durch unsere unterschiedlichen Interessen und das erweitert die Persönlichkeit.  Weil Freundschaften einfach zum Leben dazu gehören? – Stimmt. Schon in der Bibel gab es das: Hiob z.B. hatte drei gute Lebensfreunde, die er dann auch dringend brauchte. Und von Lazarus sagt Jesus, der das Wort „Freund“ bekanntlich nur selten in den Mund nimmt, dass der sein Freund sei (Joh.11,11).

 

All diese Aspekte miteinander betrachtet stimmen mich froh und zuversichtlich und geben mir das Gefühl, liebenswert, ja, der Liebe wert, zu sein.  
 

Obwohl: Manchmal kritisiert mich meine Freundin auch, weil ich gar so viel arbeite. Und ich wiederum finde es völlig überflüssig, dass sie sich stundenlang in ihrem Garten abrackert. Und das sagen wir einander auch. Aber es macht nichts! Denn unser Vertrauen zueinander hält das aus, sodass wir einander auch Dinge sagen können, die wir Anderen nicht so ohne weiteres verzeihen würden. – Man hat halt seine Fehler! Man ist verschieden und mag sich trotzdem; oder vielleicht gerade auch deshalb. Wir haben nämlich einander was zu geben und können auch gut von einander etwas nehmen! Und das tun wir beide gerne: Denn wer was hat, der merkt es erst, wenn er es auch weiterschenken kann; wenn er es teilen kann, dann ist es doch doppelt schön!
 

Freundschaft macht viel Freude, kostet aber auch viel Zeit und Kraft: Es bedeutet einerseits gemeinsame Aktivitäten: Ins Kaffeehaus oder Schwimmbad gehen, Ausstellungen besuchen, beieinander sitzen. Und andererseits auch Arbeit: Was zu essen bringen, wenn die Andere krank ist; Probleme wälzen, die man selber gar nicht hat oder kennt; und im Notfall sogar mitten in der Nacht zum Telefongespräch bereit sein. So gibt man sich in jeder Lebenslage gegenseitig Trost und Halt.

Ach! Und übrigens: Ich hab auch einen Freund.