Das Evangelische Wort

Sonntag, 21. 09. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

BookCrossing - Weltalphabetisierungsprogramm, Bildung

von Pfarrerin Ingrid Tschank (Gols, Bgld.)

 

 

In Österreich gibt es derzeit rund 300.000 Erwachsene, die nicht Lesen und Schreiben können, weltweit sind es sogar 860 Millionen. Wenn diese Zahlen auch geschätzt sind, so sind sie doch höchst alarmierend.

 

Aus diesem Grund wurde der Weltalphabetisierungtag ins Leben gerufen. Er soll daran erinnern, dass lesen und schreiben zu können, noch immer keine Selbstverständlichkeiten sind und das Problem des Analphabetismus noch immer ein Tabuthema ist.

 

Damit dieses Problem vielen Menschen bewusst wird und all jene, die nicht Lesen und Schreiben können ermutigt werden, etwas dagegen zu tun, gibt es seit einiger Zeit die Aktion mit dem Titel: „Wir schicken Bücher auf Reisen“. Lesen und Schreiben lernen ist nicht nur etwas für Kinder, sondern auch für Erwachsene. Es ist nie zu spät! In jedem Alter können Männer und Frauen das Alphabet lernen und nach kurzer Zeit ganze Sätze zu Papier bringen und verstehen.

 

Bei der Aktion „Wir schicken Bücher auf Reisen“ (BookCrossing) kann jeder mitmachen, der gerne ein Buch auf die Reise schicken möchte. Es kann ein Buch sein, das jemand schon immer gerne einmal verschenken wollte, oder eines, das jemand besonders gerne gelesen hat oder auch eines, das keine Verwendung und keinen Platz mehr zu Hause hat. Jedes Buch bekommt eine Identifikationsnummer, mit der in Erfahrung gebracht werden kann, wo sich das Buch aufhält oder wo es schon überall gewesen ist. Vielleicht reist mein Buch gerade durch Österreich oder es durchquert derzeit einen anderen Kontinent, mag sein Afrika oder Amerika. Aufregend ist der Gedanke, dass mein Lieblingsbuch anderen Menschen an ganz anderen Orten, mit ganz anderen Traditionen Freude bereitet oder auch dabei hilft, besser Lesen zu können.

 

Lesen und Schreiben fördert die Allgemeinbildung, erweitert den Horizont und schärft das Vermögen, sich eine eigene Meinung zu bilden. Durch Bildung können auch Vorurteile und Grenzen abgebaut und soziale und gesellschaftliche Veränderungen herbeigeführt werden. Gerade auch in Ländern, in denen es lang andauernde Konflikte zwischen verschiedenen Bevölkerungs- und Religionsgruppen gibt, ist Völkerverständigung unerlässlich, damit das friedliche Zusammenleben in Zukunft eine Chance hat.

 

Bildung stellt eine wesentliche Grundlage unserer Gesellschaft dar, aus materieller und auch aus geistiger Sicht. Sie ist immer noch der Schlüssel für die Gestaltung der Zukunft. Bildung hilft Menschen, eine Antwort auf die wichtigen Fragen zu geben: „Wer bin ich? In welcher Welt lebe ich? Welche Meinung habe ich?“

 

In den letzten Jahrzehnten hat sich im Bereich der Bildung die Tendenz verstärkt, Berufsausbildung und Allgemeinbildung voneinander zu trennen. Dabei wurde fast ausschließlich auf die Berufsausbildung geachtet und die Allgemeinbildung zum vernachlässigbaren Privatvergnügen heruntergestuft. Diese eingeschränkte Sichtweise von Bildung ist aber aus christlichem Verständnis nicht sinnvoll. Denn, so heißt es im Ökumenischen Sozialwort: „Bildung, die dem Menschen gerecht wird, wurzelt in einem lebendigen Interesse an der Welt, das zutiefst aus dem Staunen, der Achtung und der Dankbarkeit kommt.“ Aus diesem Grund ist es für die christlichen Kirchen unerlässlich sich für Bildung stark zu machen. „Das spezifisch Christliche des kirchlichen Engagements ist es, Menschen zu helfen, die Wirklichkeit Gottes im eigenen Leben und in den Vorgängen der Gesellschaft zu entdecken.“

 

Bildung soll demnach nicht nur dem Zweck der Berufausbildung dienen, so notwendig und gut das ist, sondern soll auch dazu befähigen, eine menschenwürdige Welt zu gestalten, in der die Würde der Person geachtet wird, in der in Solidarität die Egoismen von Personen und Gruppen überwunden werden, und in der respektvoll mit der Natur umgegangen wird. Das hat Jesus damit gemeint, wenn er dazu aufgerufen hat, am Reich Gottes mitzubauen.