Das Evangelische Wort

Sonntag, 19. 10. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Frank Lissy-Honegger, Rust

 

 

Die Weinlese in Rust geht langsam ihrem Ende zu. Nicht mehr viel hängt draußen, an den Stöcken. Das meiste ist im Keller und reift heran. Eine intensive und spannende Zeit für Weinbauern.

 

Und ich als Pfarrer in Rust sinniere dem Thema „Wein“ in der Bibel nach. Ein sehr weiter Bogen wird ausgespannt, von Noah, jenem ersten Weinbauer und Weintrinker aus vorgeschichtlicher Zeit, über die kleinen und großen Feste und Feierlichkeiten, über Jesu Mahl mit seinen Jüngern bis hin zu der Vorstellung von dem großartigen Fest, das Gott dermal einst mit den Menschen feiern will. Fröhliche Zecher begegnen mir dabei ebenso wie tragische Trinker, denen der Wein zum Verhängnis wird.

 

Unterschiedlich und vielfältig ist, was uns die Bibel sagt. Gegen Weingenuss und fröhliche Feierstimmung wendet sie sich kaum einmal, wohl aber gegen Alkoholsucht, Alkoholmissbrauch und damit nicht selten zusammenhängendes peinliches Verhalten.

 

Aus dem Buch Jesus Sirach, Kapitel 31 nach der Gute Nachricht-Übersetzung:

 

Spiel beim Weintrinken nicht den starken Mann, der Wein hat schon viele schwach gemacht. Wie die Esse gehärteten Stahl erprobt, so zeigt der Wein den Charakter überheblicher Menschen, wenn sie – von ihm erhitzt – in Streit geraten.

 

Der Wein kann dem Menschen Leben einflößen, wenn er maßvoll getrunken wird. Was wäre das Leben ohne Wein, er war doch von Anfang an da, um uns zu erfreuen. Zur rechten Zeit und mäßig getrunken gibt der Wein eine heitere Stimmung und ein fröhliches Herz. Doch im Übermaß getrunken versetzt er in schlechte Laune, macht gereizt und streitsüchtig.

 

Wenn ein Dummkopf betrunken ist, steigert sich sein Ärger zum öffentlichen Ärgernis. Sein Rausch nimmt ihm alle Kraft und bringt ihm Schläge ein.

 

Wenn du zusammen mit einem anderen trinkst, mach ihm keine Vorhaltungen! Spotte nicht über ihn, wenn er in Stimmung geraten ist! Beschimpf ihn nicht und komm ihm nicht mit den Schulden, die er zurückzahlen soll.

 

Eine Kultur, die solche Verhaltensregeln abgibt, die weiß sehr viel vom Wein. Deutlich wird auf jeden Fall, dass Gott als Freund und Liebhaber des Lebens von uns keine „bierernste“ Verbissenheit oder ängstliche Scheu erwartet, sondern zur Freude am Leben ermutigt. Er gleicht einem Musiker, der zum Tanz aufspielt und darauf wartet, dass wir uns mitreißen lassen und einstimmen. Trotz Unheils und Verderbens, trotz Mangels und Leid, von denen die Bibel ja wirklich so viel weiß und erzählt, soll gefeiert werden. Und wer feiert, soll eine Vorahnung bekommen vom guten, gelingenden Leben. Da wird nicht nur Wasser getrunken. Da muss es schon Wein sein. Die Frucht des Weinstocks ist in der Bibel nicht einfach irgendein Getränk. Sie ist eine besondere Gabe des Schöpfers an die Menschen.

 

Der jüdisch-christlichen Tradition verdanken wir den Wein – zumindest zu einem guten Teil. Und damit meine ich nicht, dass Gott ihn hat wachsen lassen, sondern dass es kein anderes Getränk gibt, für das sich eine religiöse Bewegung so entschieden und so sachverständig eingesetzt hat.

 

Als nüchternem Protestanten liegt es mir nahe, Überschwang mit Wein und vernünftiges Handeln eher mit klarem Wasser in Verbindung zu bringen. Aber nachsinnend lese ich von Bischof Palladius von Hellenopolis, Anfang des 5. Jahrhunderts, und er sagt:

 

„Es ist besser, mit Vernunft Wein zu trinken als mit Hochmut Wasser.“