Das Evangelische Wort

Sonntag, 23. 11. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Luise Müller (Tirol)

 

 

Derzeit beunruhigen mich mal wieder die Wirtschaftsnachrichten. Rezession liegt drohend in der Luft, die Angst vor Arbeitslosigkeit geht um. Scheinbar ist das alles eine Folge der Finanzmarktkrise, die eine Erschütterung der Realwirtschaft nach sich gezogen hat. Wir hören es tagtäglich, und wenn am Anfang vielleicht nur basses Erstaunen über die Unverschämtheit der Börsianer und die Unverfrorenheit mancher Manager gestanden hat, so folgte bald die unmittelbare Angst vor dem Verlust von mühsam Erspartem oder mittlerweile unbezahlbaren Krediten oder einer Wertminderung von Zusatzpensionen. Hilflosigkeit, Mutlosigkeit. Was soll ich denn machen?

 

Manche werden aggressiv, manche treffen die falschen Entscheidungen, manche treffen gar keine und verstecken sich in der Depression.

 

Im 2. Petrusbrief lese ich: Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach deiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt. Okay, das wäre auch noch eine Lösung: Wir lassen uns trösten, warten, dass da, in unbekannter Zukunft endlich, endlich alles besser wird. Wir warten, dass uns nach dem oft so begrenzten, hinter unseren Wünschen zurückbleibenden Diesseits ein gutes Jenseits angeboten wird.

 

Die Haltung, noch etwas zu erwarten, was über das heute und jetzt hinausgeht, ist uns irgendwann in der letzten Generation abhanden gekommen. Man lächelte über die, die sich auf etwas, das nach dem Tod kam, vertrösten ließen. Aber man übersah regelmäßig, dass die Hoffnung, dass mit dem Tod noch nicht alles aus ist, auch einen unwahrscheinlichen Kraftschub fürs heute und jetzt bedeuten kann. Wenn nach diesem Leben die Ewigkeit auf mich wartet, dann muss ich nicht mehr das Beste und Schönste an mich raffen, das Paradies und das Schlaraffenland gleichzeitig jetzt schon haben. Dann kann ich meine Kraft dafür einsetzen, jetzt am Möglichen zu arbeiten, brauche mich nicht nur um mein Wohlergehen zu kümmern, sondern habe Kraft frei, auch für andere da zu sein.

 

Gerechtigkeit ist ein Stichwort, das meiner Meinung nach derzeit Hochkonjunktur haben könnte. Wir haben nicht nur einmal erlebt, wohin die Gier einzelner führt. Das, was wir brauchen, ist Gerechtigkeit. Sich zufrieden zu geben, dem anderen etwas zu gönnen, und sich wehren, überall dort, wo ganze Gruppen unter die Räder kommen. Manchmal beeinflusst die Ewigkeit schon heute mein Leben. Dann, wenn der Trost, den mir diese Zukunftshoffnung bietet, dazu führt, dass schon heute mein Leben anders aussieht, als wenn der Tod das absolute Ablaufdatum meines Lebens ist. Dass ich getrösteter, zufriedener, offener und stärker werde. Möglicherweise heute schon offen für Gerechtigkeit, wie sie einmal, in der Zukunft für immer da sein wird. So, wie wir es in der Bibel lesen: Wir warten auf einen neuen Himmel und eine neue Erde nach deiner Verheißung, in denen Gerechtigkeit wohnt.