Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 11. 2008,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Rainer Gottas

 

 

„Ich bin heuer überhaupt nicht in Stimmung für Weihnachten“, sagt eine liebe Freundin aus Wien am Telefon. „Das Geschiebe und Gedränge in der Stadt und bis vor kurzem noch 10 Grad plus und im Geschäft ist noch soviel zu tun. - Wie soll man da in Weihnachtsstimmung kommen?!“ Und dann, wenn wirklich Weihnachten ist, besucht sie ihre Eltern. Drei Tage lang Gans und Kekse. „Für meine Eltern besteht Weihnachten wohl nur aus Essen!“

 

Natürlich übertreibt sie, aber sie ist sicher nicht die einzige mit dem Gefühl: „Ich bin überhaupt nicht in Stimmung für Weihnachten!“ Was soll man so jemandem raten?

 

Was ist überhaupt Weihnachtsstimmung und wie geraten wir in sie hinein? Durch die Adventlieder-Abende der Chöre im Landhaushof von Klagenfurt? Durch den obligatorischen Schnee, ohne den keine echte Stimmung aufkommen kann?

 

Es gibt wohl so viele unterschiedliche Auslöser wie es Erinnerungen gibt. Denn Weihnachten ist diese besondere Mischung aus oft unerfüllbaren Wünschen und Erinnerungen: Ich will, dass alles ganz schön wird, aber auch ein bisschen so wie früher, aber nicht unbedingt so wie im letzten Jahr, wo wir uns so gestritten haben. Und ich will, dass das nächste Jahr gut wird, aber vieles ist so unsicher und überhaupt – es ist so schwer mit der Weihnachtsstimmung …

 

Schauen wir uns einmal die Personen an, die am Anfang dieser von Generation zu Generation weitergegebenen Stimmungen stehen: Da ist zunächst Maria. Sie soll einen Sohn gebären, sagt der Verkündigungsengel. Dafür ist sie eigentlich nicht in Stimmung - eigentlich ist es völlig unmöglich. Joseph ist vermutlich auch nicht darauf eingestellt nun Vater zu werden. Und beide sind überhaupt nicht in Stimmung wegen einer Volkszählung nach Bethlehem zu reisen. Jesus kam zur Welt, aber hat ihn jemand gefragt, ob er in Stimmung war, Gottes Sohn zu werden? Die Hirten auf dem Feld wurden von den Engeln geradezu überrumpelt und ob Maria so kurz nach der Geburt schon in der Stimmung für einen Besuch war?

 

Zusammengefasst - Weihnachten kommt einem oft in die Quere. Das Faszinierende dabei ist, Menschen lassen sich dennoch darauf ein: Maria bekommt ihr Kind. Joseph wird Vater. Hirten machen sich auf den Weg. Gott wird Mensch.

 

Und das eigentlich Wunderbare an Weihnachten ist, dass es nicht nur damals geschah, sondern jetzt - heute - hier. „Jetzt ist die Zeit der Gnade! Jetzt ist der Tag des Heils!“, sagt Paulus.

 

Jetzt!

Gott gefällt es, in unpassende Situationen zu kommen. Ja, Gott ist ein bisschen unhöflich: kommt, wann er will, einfach so, auch wenn ich gerade nicht „in Stimmung“ bin.

 

Und noch etwas Faszinierendes passiert zu Weihnachten: Wenn ich aufhöre, krampfhaft nach einer bestimmten Stimmung zu suchen, stimme ich leichter in die Situation ein, die jetzt gerade ist, mit mir selbst, mit meiner Angst und Traurigkeit, mit dem, was gerade ist …

… und kann wieder singen: „Welt ging verloren – Christ ist geboren!“ Ich kann es singen, weil es beides stimmt.

Und dann, wenn die Kirche voll ist, und alle „O du fröhliche“ singen, denke ich nicht nach, ob ich in Stimmung bin. Ich singe einfach. Und vielleicht für einen winzigen Augenblick, werde ich wirklich fröhlich sein und spüren: „Jetzt ist die Zeit der Gnade! Jetzt ist der Tag des Heils!“

 

Meine Freundin – die wird in diesen Wochen sicher noch im Geschäft arbeiten. Und über die Festtage fährt sie dann zu ihren Eltern. Vielleicht kommt ihr ja dieses Jahr Weihnachten in die Quere: Einfach so, unerwartet - so wie Hanns-Dieter Hüsch in seinem wunderbar leichten Dezemberpsalm:

 

 

Mit fester Freude

lauf ich durch die Gegend.

Mal durch die Stadt,

mal meinen Fluss entlang.

 

Jesus kommt!

Der Freund der Kinder und der Tiere!

Ich gehe völlig anders.

Ich grüße freundlich,

möchte alle Welt berühren.

 

Mach dich fein: Jesus kommt!

Schmücke dein Gesicht.

Schmücke dein Haus und deinen Garten.

 

Mein Herz schlägt ungemein,

macht Sprünge.

Mein Auge lacht und färbt sich voll

mit Glück.

 

Jesus kommt!

Alles wird gut!