Das Evangelische Wort

Sonntag, 11. 01. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Gisela Ebmer, St. Pölten

 

 

Die beiden Comicfiguren Calvin und Hobbes fahren mit einem Seifenkistl eine Wiese hinunter. Der sechsjährige Calvin fragt seinen Stofftiger Hobbes: „Glaubst du an das Schicksal?“  - „Meinst du daran, dass unser Leben vorbestimmt ist?“ Die Fahrt wird immer rasanter. Sie sind so ins Gespräch vertieft, dass sie gar nicht den Steg bemerken, der auf den See hinausführt und von dem sie gleich wie von einer Sprungschanze abheben werden. Calvin antwortet: „ Ja, glaubst du daran, dass die Dinge, die wir tun, unausweichlich sind?“ Sie fliegen mit ihrem Kistl, ohne es zu bemerken, bereits über dem Wasser – ungewiss, wo und wie sie landen werden. Hobbes meint: „Dass die Dinge, die wir tun, unausweichlich sind? Das ist eine beängstigende Vorstellung.“

 

Die beiden Comic-Helden Calvin und Hobbes tragen ihre Namen nicht zufällig. Der Autor Bill Watterson hatte bei ihrer Erfindung  durchaus den großen Schweizer Reformator Johannes Calvin im Hinterkopf. Heuer jährt sich sein 500. Geburtstag. Und was von Calvin am heftigsten umstritten, am meisten diskutiert wird, ist wohl seine Lehre von der doppelten Prädestination. Calvin meint, dass Gott auf Grund seines ewigen Ratschlusses manche Menschen zur Erwählung und andere zur Verdammnis vorherbestimmt hat. - Ein Thema, das gerade zu Beginn eines neuen Jahres immer aktuell ist: Was wird mir das Schicksal wohl bringen?

 

Warum die These Calvins uns Menschen seit 500 Jahren so heftig erregt, ist vielleicht ganz leicht erklärbar:

 

Jeder Mensch trägt in seinem Inneren die große Sehnsucht danach, erwählt zu sein. Ich möchte geliebt werden, ich möchte spüren, dass da jemand ist, der mich annimmt trotz  meiner Fehler und Unzulänglichkeiten. Jemand, bei dem ich mich fallen lassen kann, vor dem ich keine Angst haben muss, wo ich ganz Ich sein kann. Der Gedanke der Erwählung tut einfach gut.

 

Und wie ist das mit der Verdammnis? Jedem von uns fallen sicher genug Menschen ein, die wir gerne verdammt sehen würden: Terroristen, Massenmörder, Kinderschänder, Diktatoren. Auch der Gedanke der Verdammnis ist  verlockend.

 

Plausibel also ist Calvins Lehre schon. Daher ist sie auch immer wieder Gesprächsthema.

 

Aber sie macht  Angst: Was, wenn ich zu den Verdammten gehöre? Wie kann ich erkennen, dass es nicht so ist? Dass ich erwählt bin?

 

Calvin sagt: Gar nicht. Du kannst es nicht erkennen, denn die Erwählten unterscheiden sich in diesem Leben durch nichts von den Verworfenen.

 

Wen du selber gerne verdammen würdest, mit dem hat Gott vielleicht ganz was anderes vor. Das ist sein Geheimnis.  Es gibt keine Zeichen in die eine oder andere Richtung.

 

Und du brauchst es auch gar nicht erkennen, denn du bist erwählt. So wie es im Epheserbrief heißt: „Er hat uns durch Jesus Christus erwählt vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und makellos seien vor ihm, in Liebe.“ Calvin hat  in Genf viele Jahre  Flüchtlinge aus Frankreich aufgenommen, die in ihrer Heimat wegen ihres reformatorischen Glaubens verfolgt wurden. Sie waren extrem verunsichert: Was hat Gott mit uns vor? Wir leben unser Leben nach dem Evangelium, wie kann er es dann zulassen, dass wir getötet und verfolgt werden? Diesen verängstigten Menschen hat Calvin die Angst genommen: Ihr braucht euch nicht fürchten. Gott ist ein gnädiger Gott, er hat euch erwählt. Seid ihm dankbar, indem ihr seine Liebe weitergebt, indem ihr gegen Unrecht ankämpft, indem ihr Widerstand leistet, wo es nötig ist, indem ihr euch für Frieden und Gerechtigkeit einsetzt.

 

Zurück noch einmal zu Calvin und Hobbes: Sind wir nun vom Schicksal abhängig, ist alles vorherbestimmt, auch unsere Taten, oder sind wir selbst verantwortlich für all unser Tun? Haben wir die Möglichkeit, frei zu entscheiden? Können wir überhaupt Pläne machen für das Neue Jahr? Calvin sagt: Denke immer daran, dass Gott dich erwählt hat, dass du sein geliebtes Kind bist, ohne dass du irgendwas dafür getan hast. Er ist immer bei dir, egal was dir passiert. Freu dich darüber in aller Bescheidenheit und sei ihm dankbar. Und wenn du dir etwas vornimmst für dieses Jahr, wenn du gute Vorsätze hast, dann sollen sie dazu dienen, auf der Welt mehr Frieden, Gerechtigkeit, gegenseitige Achtung und Liebe wirksam werden zu lassen.