Das Evangelische Wort

Sonntag, 25. 01. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfr. Mag. Ingrid Bachler (Wels, OÖ)

 

 

„Wer klopfet an? Oh zwei gar arme Leut! Was wollt ihr dann? Wir suchen Herberg heut…“

Das war jetzt kein Irrtum oder Fehler. Es hat mich zuerst auch irritiert, die Zeilen dieses bekannten Weihnachtsliedes vor kurzem als Überschrift in einer Zeitung zu lesen. Weihnachten ist vorüber, die meisten Tage im Monat Jänner auch und ich versuche, mich in den gewohnten Ablauf des neuen Jahres einzufügen. Ich möchte nicht auf Vergangenes zurückschauen, das gerade erst gewesen ist. Die Zeit der Krippenspiele in den Kirchen, ob modern mit Hallelujasingers oder klassisch - als Josef und hochschwangerer Maria vor dem fremdenfeindlichen Wirt - ist wieder vorbei. Wir gehen weiter im Jahreskreislauf: Auf Weihnachten folgt für evangelische Christen die Epiphaniaszeit und danach die Passionszeit, die 40 Tage dauert bis zum  Osterfest. Das sind unsere Traditionen. Was soll die Rückschau jetzt?

 

Die Zeilen des so bekannten Liedes haben mich weiter beschäftigt. Es zeigt, dass Menschen auch vor 2000 Jahren hartherzig sein konnten. Über so einen Wirt, der diesen wichtigen Moment nicht erkennt, als Maria und Josef vor ihm stehen, kann ich mich schon ärgern. Auch heute klopfen Menschen an unsere Tür, machen sich bemerkbar, wollen hereinkommen und ihren Platz finden, ihre Herberge. Jetzt ist es an uns, den wichtigen Moment zu erkennen. Trotz Finanzkrise und wirtschaftlicher Sorgen haben die Österreicher zu Weihnachten besonders großzügig für „Licht ins Dunkel“ gespendet. Das freut mich. Ein Student hat mir erzählt, dass er zu Weihnachten bei den Obdachlosen in der so genannten „Gruft“ auf der Mariahilferstraße war und mit ihnen sehr berührende Gespräche geführt hat. Er durfte eine schöne Erfahrung machen, bei der er nicht nur seine Zeit gegeben, sondern auch viel Vertrauen und Lebenserfahrung geschenkt bekommen hat. Das soziale Denken und Handeln kann aber nicht nur auf Weihnachten beschränkt sein. Jeden Tag hören wir von Not, Vertreibung, Flucht und Obdachlosigkeit. Manchmal ist das schon zu viel und überfordernd. Das Sozialwort des ökumenischen Rates der Kirchen ist dabei eine Orientierungshilfe. Es sieht den Auftrag der Kirchen, dort zu helfen, wo Menschen unterdrückt werden und Not, Armut und Ausgrenzung erleiden. Gerechte Strukturen und Rahmenbedingungen sind Voraussetzung für ein menschenwürdiges Leben. Die Orientierung aus der Sicht des Glaubens verlangt eine Auseinandersetzung mit den Grundfragen des Lebens. Es sind die Fragen, was dem Menschen, dem Leben und der Schöpfung dient. Die Fragen nach dem Ziel von Arbeit und Wirtschaft. Die Kirchen wollen die Stimme der Stimmlosen sein, die sich für die Integration von Menschen am Rand einsetzen und zu Wort melden, wo immer auch durch gesellschaftliche Entwicklungen Gefahren drohen. Wie sich das Jahr 2009 entwickeln wird, wissen wir nicht, aber eine positive Lebenseinstellung, getragen von Glaube, Hoffnung und Liebe ist sicher guter Berater beim Weg durch das Jahr.

 

Die Worte des berühmten mittelalterlichen Mystikers Meister Eckhart fallen mir wieder ein. Ihm wurden drei Fragen gestellt:

Erstens: Welche Stunde ist die wichtigste im Leben?

Zweitens: Welcher Mensch, von allen, die dir begegnen, ist der bedeutendste?

Drittens: Welches Werk ist das notwendigste?

Seine Antwort war: „Die wichtigste Stunde ist immer die gegenwärtige. Der bedeutendste Mensch ist immer der, der gerade vor dir steht. Das notwendigste Werk ist immer die Liebe.“