Das Evangelische Wort

Sonntag, 01. 02. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Peter Karner, Wien

 

 

Einige Jahre bevor Kolumbus – ohne es zu wissen – Amerika entdeckte, hat in Wien „der Meister vom Schottenstift“ sein Bild „die Flucht nach Ägypten“ gemalt. Es zeigt die heilige Familie vor dem Hintergrund des mittelalterlichen Wien. Diese „Flucht“ weist irgendwie darauf hin, dass zur gleichen Zeit ein neuer Kontinent entdeckt worden ist, der sehr bald zum Zufluchtsort vieler Europäer werden sollte.

 

Die meisten dieser Flüchtlinge waren wohl Abenteurer im besten Sinn des Wortes. Die Reise in „die neue Welt“ sollte ihnen ein neues Leben ermöglichen und zwar nach Gedanken und Grundsätzen, die sie in Europa noch ins Gefängnis gebracht haben. So wurde Amerika zum Kontinent der Chancen für jedermann, zum „Land der unbegrenzten  Möglichkeiten“.

 

Was Gott zu Abraham gesagt hat, nämlich „zieh weg aus deinem Land“ war Amerika, „Gods own country“, „Gottes eigenes Land“.

 

So ist der amerikanische Glaube entstanden, die feste Überzeugung, dass Gott die Amerikaner zu einer besonderen Aufgabe erwählt hat, wie den Abraham. Eines der Dogmen des „amerikanischen Glaubens“, ist die Überzeugung, dass eigentlich alles machbar ist. Dieser Zwangsoptimismus – bekannt aus den amerikanischen Familienserien im Fernsehen – hat zwar vom Schicksalsglauben befreit, aber auch recht kuriose Blüten hervorgebracht: nämlich die „Disneyland-Religion“. Jetzt wird nicht mehr frustriert dem Paradies nachgetrauert. Das Unvorstellbare – hier wirds Ereignis: Eine Welt aus Plastik und Computern, alles garantiert unecht, aber natürlich viel schöner als das Original.

 

Der geistige Schöpfer dieser „schönen neuen Welt“, Walt Disney, wartet derzeit tiefgefroren auf seine Auferstehung. Er ist zwar noch beim lieben Gott in die Schule gegangen, aber seine Welt ist nicht nur herziger.

 

In Walt Disneys Welt funktioniert – zum Unterschied von der Welt, die Gott geschaffen hat – einfach alles. Es gibt kein Leid mehr und keine Tränen und keine Probleme – und ein ewig grinsendes Personal, das so verdächtig an die religiösen Bräuche des amerikanischen Pietistenparadieses, den „bible-belt“ erinnert, sorgt dafür, dass niemand hinter die Kulissen schaut.

 

Und im Wildwestfilm hat sich der „amerikanisch Glaube“ eine eigene Filmgattung geschaffen: der „Edle Calvinist zu Pferd“, der gut alttestamentlich Jeremia heißt, seine mutige Pioniersgattin Hanna oder Ruth... Ständig unterwegs ins „gelobte Land“, vergisst man trotzdem nicht auf den sonntäglichen Kirchgang, Taufe oder Trauung – und für eins der zahlreichen Begräbnisse hat sich immer noch eine Schießpause einrichten lassen.

 

Doch die Alltagsreligion des „Wilden Westens“ wird nicht vom Pfarrer gestaltet, sondern von der Figur eines großen Einzelgängers: einmal ist er Sheriff oder Marshall, dann wieder Farmer oder ein – sozusagen bekehrter – Revolverheld, und als biblische Gestalt steht er allein gegen alle.

 

Dieser „amerikanische Glaube“, der durchaus biblische Wurzeln hat, wurde von amerikanischen politisch organisierten Evangelikalen sektiererisch gestaltet, ja zu einem primitiven missionarischen Aberglauben gemacht. Wenn die Amerikaner jetzt in großen Scharen Barack Obama zugelaufen sind, dann, weil sie instinktiv geahnt haben, dass er die Ideale des alten Amerika wiederbringt: Ideale wegen der schon vor Jahrhunderten Europäer nach Amerika ausgewandert sind: Freiheit, Demokratie und Menschenrechte, also jesuanische Ideale.