Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 02. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Renate Moshammer, Pörtschach, Kärnten

 

 

Soll man in Zeiten der Krise Bälle veranstalten? Können wir in Zeiten wie diesen feiern und fröhlich sein? Wo doch die Zukunft so düster scheint. Wo doch so viele Existenzen bedroht sind. In der Welt geht ´s doch drunter und drüber – und da soll man sich zu Walzerklängen amüsieren? Ist das nicht ein reiner Akt der Verdrängung?

 

Erinnern Sie sich noch? Vor vier Jahren, am 26. Dezember 2004, hat ein Seebeben im Indischen Ozean tausende Menschen in den Tod gerissen. In vielen Städten hat man daraufhin auf das Silvesterfeuerwerk verzichtet. Die pyrotechnischen Fabriken und die Verkäufer von Raketen haben mit Umsatzeinbußen zu kämpfen gehabt. Von drohenden Entlassungen ist gesprochen worden. Heute denkt kaum mehr einer daran. Die Katastrophe von damals ist zu einer Episode in der Geschichte geworden – oder auch nur zu einer Randnotiz.

 

Vielleicht, dass dieses Ereignis und die Reaktionen darauf gezeigt haben, wie klein unsere Erde ist; wie vernetzt die Wirtschaft; und dass keiner auf einer Insel lebt und sagen kann: „Das geht mich nichts an.“

 

Erinnern Sie sich noch? Im vergangenen Sommer Ist das Olympische Feuer um die Welt gegangen - und immer wieder ausgelöscht worden, aus Protest, - weil Tibet um die Freiheit gerungen hat. Das heißt: Tibet ringt noch immer. Aber heute schaut keiner mehr dort hin.

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Ich könnte noch einige „vergessene“ Katastrophen, Naturkatastrophen und menschengemachte aufzählen, die uns kurzfristig aufgescheucht haben aus unserer Bequemlichkeit und aus unseren festen Gewohnheiten.

 

Für einen Augenblick hält die Welt den Atem an – nur um kurz darauf wieder so zu sein wie immer. Ist das also, wenn schon nicht eine gute, so doch eine bewährte Strategie? „Augen zu und durch“?

 

In der Bibel finde ich noch eine andere Möglichkeit. Im Buch Josua heißt es: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht: Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tust. (Jos. 1, 9)

 

Kann dieses alte Wort uns in unserer modernen Zeit Wegweisung sein? Düsteren Zukunftsaussichten hat auch Josua entgegengeschaut. Hinter ihm liegt die Wüste, vor ihm ein fremdes Land, das es erst zu erobern gilt. Da hört er diesen Satz: „Siehe, ich habe dir geboten…“

 

Als ob man Mut gebieten, befehlen könnte. Als ob Vertrauen und Furchtlosigkeit per Gesetz verordnet werden könnten. Und doch schlagen diese Worte eine vertraute Saite in mir an. „Fürchte dich nicht!“ Mit diesen Worten begegnen Engel den Menschen. Bei Maria. Bei den Hirten. Bei den Frauen am leeren Grab. Und immer wieder ist dieser Satz begleitet von der Gewissheit der Nähe Gottes.

 

„Fürchte dich nicht!“ Das ist Gottes Botschaft und Einladung von Anfang an. Oder, mit anderen Worten: „Siehe, Ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Denn Gott ist mit dir.“

 

Das bedeutet nicht „Augen zu und durch!“ Im Gegenteil. Mit dem „Siehe“ werde ich zum Sehen aufgefordert.

 

Wenn ich mir der Nähe und Begleitung Gottes sicher sein darf, dann sind meine Augen weit offen – gerade auch für den Menschen neben mir. Wenn ich Gottes Nähe spüre, dann brauche ich mich auch in Krisenzeiten weder in einem Mauseloch noch hinter einer lächelnden Maske zu verstecken.

 

Dann kann ich noch in der Krise wachsen und lernen: Den Blick für den anderen. Die Menschenfreundlichkeit Gottes, der uns bei unseren Feiern begleitet und in unseren dunklen Stunden an unserer Seite bleibt.

 

Denn auch uns gilt der Zuspruch: „Siehe, ich habe dir geboten, dass du getrost und unverzagt seist. Lass dir nicht grauen und entsetze dich nicht: Denn der Herr, dein Gott, ist mit dir in allem, was du tust.“