Das Evangelische Wort

Sonntag, 22. 02. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

           

von Barbara Knittel

 

 

„Gott erleuchte die Augen eures Herzens, damit ihr versteht, zu welcher Hoffnung ihr berufen seid“( Eph. 1/18 a)

 

 

Eigentlich steht es mir als Evangelische gar nicht zu, mich zu Konflikten in der katholischen Kirche zu äußern, nur, die Themen dort beschränken sich nicht nur auf die katholische Kirche. Die Distanz zwischen denen, die in der Hierarchie oben sind und den einfacheren Menschen – unten -, zwischen Liberalen und Konservativen, zwischen links und rechts, das betrifft auch meine Kirche, das geht hinein in die Politik und auch ins Wirtschaftsleben.

 

Speziell zur Politik – da gab es eine Umfrage von Versicherungsgesellschaften zur Angst von Menschen, und heraus kam, dass z. B. die Angst vor der Bürgerferne von Politikern sehr hoch ist. Möglicherweise gilt diese Ferne auch in der Kirche hin zu sogenannten Amtsträgern, wie man in der evangelischen Kirche sagt.

 

Sicher, diese Angst hat zwei Seiten. Vielleicht ist es noch immer zu schwer, nicht nur für ältere, auch für jüngere Menschen, den Mund gegenüber Autoritäten aufzumachen. Ich habe aber auch den Eindruck, dass Menschen mit mehr Macht und Einfluss leicht in eine andere Welt abdriften, in der sich der Blick von oben herab verstärkt. Dann wird es schwierig, die Lebensthemen von denen da unten noch nachzuempfinden. Ich weiß, damit verallgemeinere ich. Es gibt sie, die anderen, die nicht nur von oben herab fertig und souverän wirken, sondern selbst Fragen haben, die dem eigenen inneren Zwiespalt nicht ausweichen, die mitleiden und Herzensgüte entfalten können. Und immer, wenn Politiker oder Kirchenleute neu an die Macht kommen, such ich, ob etwas von diesen Fähigkeiten bei ihnen durchschimmert. Ich hoffe noch immer, oder immer wieder.

 

Wenn ich in die Vergangenheit zurücksehe, ist meine Hoffnung begründet. Aus der Geschichte fallen mir dazu wichtige Menschen ein. Aus den vielen nenne ich jetzt zwei. Martin Luther King, der Bürgerrechtskämpfer in den USA, dessen Saat jetzt mit dem neuen Präsidenten Obama vielleicht weiter aufgeht. Und ganz besonders, vor 2000 Jahren Jesus von Nazareth. Er war keiner von denen ‚ganz oben’. Nach seinem Tod, so denke ich, wurde er immer wieder zu hoch auf die Altäre gestellt, zu unerreichbar, sodass seine Art von Menschlichkeit zuwenig ansteckend wurde. Er war auch ein Rabbi, ein Lehrer. Aber nicht fertig, nicht erhaben. Er hat gelehrt, aber auch gelernt und den inneren Zwiespalt hat er gekannt. Eine berührende Geschichte erzählt davon: Nach einem Streit mit damaligen Theologen zieht er sich allein in eine ihm fremde Gegend zurück. Von sogenannten Heiden bewohnt. Aber er wird auch dort von einer Frau entdeckt, einer Nichtjüdin, die in großer Not ist. Ihre Tochter ist krank, und die Frau bittet Jesus, ihre Tochter zu heilen. Der aber verweigert sich mit einer patzigen Bemerkung: „Es ist nicht recht, das Brot den Kindern wegzunehmen und es den Hunden vorzuwerfen“. Kinder und Juden, Hunde und Heiden – damit ist klar, was Jesus meint. Er kränkt die Frau, indem er sie mit Hunden gleichstellt. Die Reaktion der Frau überrascht. Sie antwortet: “Auch für die Hunde unter dem Tisch fällt etwas von dem Brot ab, das die Kinder essen“. Nicht nur, dass damit Hunde einen anderen Wert bekommen. Sie trifft Jesus damit und er lernt von dieser Frau – auch sie als Fremde trägt dieselbe menschliche oder hündische Würde in sich. Er geht dann ohne weiteren Kommentar auf ihre Bitte ein und kümmert sich um ihre Tochter.

 

Diese fast vergessene Seite von Jesus – der lehrend und lernend unterwegs war, der mit dem Herzen sehend wurde, kann noch über die Jahrtausende inspirieren und zur Hoffnung werden für alle – besonders aber für die Mächtigeren unter uns.