Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 03. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Ingrid Tschank (Gols, Burgenland)

 

 

An diesem Wochenende erheben Frauen in aller Welt ihre Stimme für Gerechtigkeit, Frieden und Chancengleichheit. Den Auftakt machten vorgestern christliche Frauen in mehr als 170 Ländern der Erde mit der Feier des „Weltgebetstag der Frauen“, in Österreich beteiligten sich rund 400 Pfarrgemeinden daran. Die Wurzeln des Weltgebetstages liegen in den biblischen Texten, in denen wir erfahren, wie Jesus den Frauen begegnet ist. Er hat sie geachtet, gestärkt, geheilt, sie für ihren tiefen Glauben bewundert.

 

Vor mehr als 120 Jahren ist der Weltgebetstag als eine ökumenische Basisbewegung in Nordamerika entstanden. Unter dem Motto „Informiert beten – betend handeln“ konnte sie zu einer weltweiten Bewegung heranwachsen. Das Grundanliegen ist, durch Beten und Handeln Zeichen der Solidarität zu setzen und so Not zu lindern. Jedes Jahr bereiten Frauen aus einem anderen Land den Gottesdienst vor. Dieses Jahr haben Frauen aus Papua Neuguinea die Lieder, Gebete und Bibeltexte ausgesucht, um damit ihr Anliegen zur Sprache zu bringen. Sie erzählen uns, wie sie mit ihren Familien leben, was sie glücklich macht, was sie belastet und worin sie die Herausforderungen für ihr Land in der Gegenwart und Zukunft sehen. Sie bringen uns ihre Kultur näher wie auch ihre Traditionen und ihren Glauben. Sie machen uns aber auch vehement auf die zahlreichen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Diskriminierungen aufmerksam, unter denen sie leiden. Sehr wichtig ist ihnen, uns zu sagen, wofür sie mit uns gemeinsam beten wollen und wie wir sie sinnvoll unterstützen können.

 

Der Weltgebetstag vereint christliche Frauen über alle konfessionellen und nationalen Grenzen hinweg. Aus dieser Begegnung entsteht Solidarität und die Bereitschaft zu helfen. Mit den Spenden, die beim Gottesdienst gegeben werden, können wir alle einen wertvollen Beitrag leisten und notwendige Frauen- und Kinderprojekte unterstützen. Das Spendengütesigel des Weltgebetstages verbürgt, dass das Geld auch direkt bei den Bedürftigen ankommt.

 

Nur zwei Tage nach dem Weltgebetstag, heute am 8. März, wird der „Internationale Frauentag“ begangen. Er blickt ebenfalls auf eine mehr als einhundertjährige Tradition zurück. Am Anfang standen Arbeiterinnen, die sich um die Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert zusammen getan hatten, um gegen ihre Ausbeutung als Frauen und Fabrikarbeiterinnen aufzubegehren. Sie forderten bessere Arbeitsbedingungen, angemessene Löhne, menschenwürdigere Arbeitszeiten und ausreichenden Mutter- und Kinderschutz. Ihre Kämpfe richteten sich aber auch gegen die unzumutbaren Wohn- und Lebensbedingungen. Darüber hinaus hatten die Frauen auch ein politisches Anliegen: Sie klagten für sich das Wahl- und Stimmrecht ein.

 

Ist es heute noch notwendig, dass ein internationaler Frauentag gefeiert wird? Sind nicht bereits die Mehrzahl der Forderungen von damals eingelöst worden? Diese Fragen werden in den letzten Jahren öfters gestellt. Aus christlicher und emanzipatorischer Sicht sind die Forderungen der Frauen auch bei uns nicht zur Gänze erfüllt, in vielen Ländern der Erde nicht einmal im Ansatz. Noch immer werden Millionen von Frauen diskriminiert, leben unter unwürdigen und lebensbedrohlichen Bedingungen und werden wirtschaftlich ausgebeutet. Sie sind grausamster Gewalt ausgesetzt durch Krieg, Vertreibung, Genitalverstümmelung, Kinderheirat, Frauenhandel und Zwangsprostitution. Es wird ihnen in vielen Ländern auch der Zugang zur Bildung verweigert.

 

Die Aufrufe der christlichen Frauen beim Weltgebetstag wie auch der Frauen des Internationalen Frauentages wenden sich gegen diese noch weit verbreiteten Formen von Unterdrückung und Benachteiligung. Sie fordern uns auf, mit allen Frauen der Erde solidarisch zu sein in Wort und Tat, damit Frauen und Mädchen sich nach ihren Begabungen entfalten können. Grundbedingungen dafür sind Frieden, Respekt und Nächstenliebe über alle Grenzen der Nationen, Sprachen, Hautfarben und Geschlechter hinweg. Die Frauen aus Papua Neuguinea haben dieses Anliegen durch das Bibelwort ausdrückt: „Viele sind wir, doch eins in Christus.“