Das Evangelische Wort

Sonntag, 22. 03. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Dr. Jutta Henner (Wien)

 

 

Für die vielen Schülerinnen und Schüler, die mit ihren Klassen in unser Wiener Bibelzentrum kommen, ist es völlig außer Zweifel: Wenn die Mitarbeiterinnen sie fragen, in wie viele Sprachen wohl die Bibel übersetzt ist, kommt die einstimmige Antwort: „Natürlich in alle Sprachen“.

 

Schließlich gibt es Bibelübersetzungen in deutscher Sprache ja bereits seit dem ausgehenden Mittelalter. Neben die berühmten Bibelübersetzungen der Reformationszeit sind vor allem in den vergangenen Jahrzehnten zahlreiche moderne Übersetzungen getreten mit unterschiedlichem Sprachniveau und für unterschiedliche Zielgruppen. Nahezu jedes Jahr kommen neue Bibelübersetzungen hinzu oder werden bestehende Übersetzungen an den sich wandelnden Sprachgebrauch angepasst. Wir dürfen dankbar sein für diese Vielfalt an Bibelübersetzungen!


Es wäre ja wunderbar, wenn es eine Bibelübersetzung wirklich schon in allen bekannten und staunenswerten 6.911 Sprachen und Dialekten geben würde. Doch leider ist dem noch lange nicht so. Während Christinnen und Christen in der westlichen Welt die Qual der Wahl zwischen einer Vielzahl von Bibelübersetzungen in ihrer jeweiligen Sprache haben, sieht es für die Christen in anderen, meist ärmeren Teilen der Erde noch lange nicht so gut aus!

 

Die jüngst veröffentlichte aktuelle Statistik bestätigt, dass die Bibel mit großem Abstand das meistübersetzte Buch ist. In sage und schreibe 2.479 Sprachen der Welt ist bis Jahresende 2008 zumindest ein Buch der Bibel übersetzt worden. Dafür gilt es erst einmal dankbar zu sein.

 

Aber: Es bleibt auch noch viel zu tun! Denn eine vollständige Bibel, Altes und Neues Testament, gibt es bisher erst in 451 Sprachen; sonst ist eben nur das Neue Testament oder überhaupt erst ein kleiner Teil der Bibel übersetzt.

 

Bibelübersetzung ist keine kleine Aufgabe: Übersetzerinnen und Übersetzer müssen mit den Sprachen vertraut sein, in denen die biblischen Schriften einst verfasst worden sind: Hebräisch und Griechisch. Zumindest bei Übersetzungsprojekten der Bibelgesellschaften ist es heute immer ein Team, das die Übersetzung erarbeitet. Mindestens die Hälfte sind selbstverständlich Einheimische. Sprachwissenschaftler sind ebenso dabei wie Theologen und Vertreter der verschiedenen Kirchen. Etwa zehn Jahre rechnet man im Allgemeinen für eine Bibelübersetzung; meist dauert es länger, denn nicht selten bringen äußere Umstände wie Bürgerkriege oder Naturkatastrophen die Arbeit ins Stocken.

 

Bibelübersetzung ist eine lohnende Aufgabe und ein zentraler Auftrag, der sich in der Bibel selbst findet. Die Reformatoren haben ihn wieder entdeckt, und heute setzen sich - Gott sei Dank - alle christlichen Kirchen für die Übersetzung der Bibel ein!

 

Bibelübersetzung schenkt unermessliche Freude und hat viele positive Effekte. In Sprachen wie Mbunda in Zambia, Jula in Burkina Faso, Lari in der Republik Kongo oder Kono in Sierra Leone konnten im Vorjahr Übersetzungen des Neuen Testaments bzw. sogar der ganzen Bibel fertiggestellt werden.

 

Wo immer die erste Bibelübersetzung in eine Sprache präsentiert wird, ob in Afrika, in einem der pazifischen Inselstaaten oder in einer der indigenen Sprachen Südamerikas – immer wieder ist zu hören: „ Jetzt spricht Gott auch meine Sprache!“ Christinnen und Christen erleben durch das Lesen und Hören der Bibel in ihrer Muttersprache eine ganz neue Dimension ihres Glaubens. Gottesdienste werden lebendig, neue Lieder werden verfasst.

 

Die Bedeutung von Erstübersetzungen der Bibel ist aber noch viel größer! Die Präsentation einer Bibelübersetzung ist ein Meilenstein für die Sprache und Kultur der jeweiligen Volksgruppe. Nicht selten ist die Bibel das erste schriftliche Dokument einer Sprache überhaupt. Sprachliche Identität wird bewahrt. Eine neue Bibelübersetzung ist dann ein Motor für Alphabetisierungsprogramme! Oft werden zugleich mit der Bibelübersetzung auch Alphabetisierungskurse erarbeitet – die dann regen Zuspruch finden. So trägt eine Bibelübersetzung dazu bei, die Lebensbedingungen der Menschen ganzheitlich und nachhaltig zu verbessern!

 

Schülerinnen und Schüler staunen über diese Informationen. Und sie sind sich einig: „Alle Menschen sollen die Bibel in ihrer Sprache lesen können, damit sie etwas über Gott und den christlichen Glauben erfahren.“ Viele Menschen haben bisher nur indirekten Zugang über eine Sprache, die nicht ihre eigene ist. Aber Glauben ist Herzenssache – die Muttersprache hat hier eine besondere Bedeutung. Noch viel bleibt zu tun in kommenden Jahrzehnten, wenn nicht sogar Jahrhunderten.