Das Evangelische Wort

Sonntag, 29. 03. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Frank Lissy-Honegger, Rust

 

 

Bilderflut. Wir leben in einer Welt der Bilder. Sie sind anschaulich und konkret. Subtil und stark zugleich beeinflussen sie unsere Gefühle und richten unsere Aufmerksamkeit. Gemälde, Foto, Illustrierte, Film, Fernsehen, DVD, Computerbildschirm, You Tube. Eine Erfolgsgeschichte. Wir können soviel sehen, Urlaubsfotos reproduzieren, Familienfeste mit der Kamera aufnehmen, Fernsehen auf zig Kanälen einschalten. Was sehen wir eigentlich? Können wir diese Bilderflut überhaupt aufnehmen und verarbeiten?

 

Man sieht nur mit dem Herzen gut. Sicher kennen Sie diesen Satz aus Exuperys „kleinem Prinzen“. Und was sehen wir mit dem Herzen?
Das Fernsehen bringt uns Gesichter in Großaufnahme ganz nah, die Frau Unterrichtsminister, Prominente als Dancing Stars, das Massaker in Winnenden, perfekte Dinner-Köchinnen und -Köche, Josef Fritzl. Was sieht unser Herz in diesen Gesichtern? Masken? Schrecken? Leid? Triumph? Niederlage? Blanke Angst?

 

Kann ich das alles noch verstehen, deuten? Oder bin ich nur Mitnascher, Voyeur?

 

In der Tradition des Schauens gehe ich zurück bis zu den alten Griechen. Was nannte Homer als Lebenswichtigstes: „Leben und die Augen auf der Erde offen halten“. Und das griechische Wort Theorie, das gar so verstaubt und grau erscheint, heißt wörtlich nichts anderes als „Schau“, das Gegenteil intellektueller Verstiegenheit, genaues Hinschauen.  Hirnphysiologisch, sagen Wissenschafter, ist das sehr bedeutsam, in genauem, langem Hinschauen werden Bilder geprägt, die sich tief in unser Gehirn eingraben, die Zutrauen stiften und weit tragen. Es ist also gut, wenn wir die Menschen, denen wir verbunden sind, genau und lang ansehen, mit Hirn und Herz. Deswegen ist es sicher auch ganz wichtig, dass wir uns an Babies nicht satt sehen können und die Aussage: „Ich kann oder ich will dich nicht mehr sehen“ bekommt eine tiefere Bedeutung.

 

Für die Passionsandacht in meiner Gemeinde in Rust habe ich ein Bild herausgekramt, einen alten Druck. Darauf sind die Folterwerkzeuge Jesu zu sehen. Eine Geißel, eine Lanze, Hammer und Nägel, ein Krug mit Wasser, damit sich Pilatus seine Hände in Unschuld waschen kann. Warum schaut man sich das an? Zeichen des Scheiterns – ist das nicht alles hoffnungslos? Nein, hier wird das genaue Hinsehen geübt, das Sehen mit dem Hirn und dem Herzen. Wer das Kreuz Christi gesehen hat, der kann auch hinschauen, was heute der Mensch dem Menschen antut. Er kann es sehen ohne zu verdrängen, wegzuschauen, ohne beschönigen zu müssen.

 

Bilderflut – das Problem ist nicht, dass Bilder stark und prägend sind. Sie sind nur so schnell. Und jetzt - und jetzt - folgt eines auf das andere, und es fällt mir schwer, mich in eines zu vertiefen.

 

„Herr, erhöre mich bald, ich kann nicht mehr, verbirg dein Angesicht nicht vor mir, sonst ist es um mein Leben geschehen“, so heißt es im Psalm 143. Dieses Gebet drückt die Hoffnung aus, dass Gott hinsieht, dass er nicht wegschaut. Das Angesicht Gottes verkörpert die Hoffnung, dass da jemand ist, der zuschaut, der nicht wegschaut, der das Geschehene aufbewahrt, der nicht vergisst. So, dass es gilt, was in jedem Gottesdienst zum Abschluss gehört werden kann:

 

Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch Frieden.