Das Evangelische Wort

Sonntag, 05. 04. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Ulrich H.J. Körtner

 

 

Vielleicht haben Sie so ein T-Shirt schon mal gesehen: Es zeigt den Gekreuzigten, Jesus mit der Dornenkrone, in schablonenhaftem schwarz-weiß Druck, mit einem Gesichtsausdruck, der an das berühmte Che Guevara-Foto von Alberto Diaz erinnert. Das Bild trägt die Unterschrift: „Kill your idols“ – töte deine Idole. Axel Rose von der Hard-Rock-Band Guns N’Roses hat ein solches T-Shirt früher öfters bei seinen Auftritten getragen. „Kill your idols“ war auch der Name einer New Yorker Hardcore-Band, die sich 2007 aufgelöst hat. Und auch die Assoziation mit Che Guevara kommt nicht von ungefähr, gibt es doch auch ein Che-Guevara-T-Shirt mit dem Schriftzug „Kill your idols“.

 

Jesus und Che Guevara als Pop-Ikonen. Beide waren je auf ihre Weise Sympathieträger der Hippiebewegung und der Jugendrevolte der 68er-Generation, die von einer besseren und gerechteren Welt träumte, von einer utopischen Gesellschaft der universalen Liebe und des Friedens. Dass der eine den Weg der Gewaltlosigkeit ging und der andere den revolutionären Kampf mit Waffengewalt führte, wurde nicht immer als Widerspruch empfunden. Christentum und Sozialismus konnten durchaus eine Verbindung eingehen.

 

Kill your idols: War es vielleicht das, was Judas durch den Kopf ging, als er sich dazu entschloss, Jesus zu verraten? Über seine Motive wird seit biblischen Zeiten gerätselt. Niemand hat Judas zum Verrat gezwungen, niemand ihn angestiftet oder erpresst. Matthäus, Markus und Lukas behaupten, es sei Geld geflossen. Doch dass Judas lediglich aus materiellen Motiven gehandelt hätte, lässt sich aus den Evangelien nicht schließen.

 

Möglicherweise hat Judas aus abgrundtiefer Enttäuschung gehandelt. Er hatte Jesus glühend als den von Israel ersehnten Messias verehrt und sich ihm angeschlossen. Doch sollte sich herausstellen, dass Jesus nicht der politische Führer war, der die Römer vertreiben und ein irdisches Gottesreich errichten würde. Angesichts seiner Leidensbereitschaft und der sich ankündigenden Passion sah Judas seine Messiashoffnungen, die er in Jesus gesetzt hatte, endgültig enttäuscht.

 

Das alles sind Mutmaßungen. Letztlich bleibt der Verrat des Judas ein Rätsel, das die Evangelien nicht auflösen. Sie rücken die Tat des Judas, mit dem es ein schlimmes Ende nimmt, in eine theologische Perspektive. Die Schuld des Verrates wiegt schwer, aber er gehört in den dunklen Heilsplan Gottes, nachdem Jesus am Kreuz sterben muss, um so die Macht der Sünde und des Todes zu brechen.

 

Am Kreuz auf Golgatha wird nicht nur das bisherige Idol des Judas getötet, sondern es werden überhaupt alle falschen Gottesbilder und Heilsutopien zerstört. Der Tod Jesu ist der Inbegriff radikaler Ideologiekritik, auch an allen falschen Jesusbildern, die es außerhalb wie innerhalb der Kirche gibt.

 

Johannes Calvin, der Reformator von Genf, der vor 500 Jahren geboren wurde, hat das menschliche Herz eine Götzenfabrik genannt. Nicht nur, dass der Platz, der Gott allein in unserer Welt und unserem Herzen gebührt, von uns durch andere Idole besetzt wird. Wir machen uns auch von Gott selbst immer wieder ein falsches Bild. Wir wollen ihn nach unserem Bilde formen, statt uns nach seinem Bilde formen zu lassen, wie Jesus es getan hat.

 

Wenn es stimmt, dass Gott selbst in Jesus Christus war und somit selbst am Kreuz den Tod auf sich genommen hat, dann hat die Parole „Kill your idols“ – recht verstanden – einen zutiefst theologischen Sinn.