Das Evangelische Wort

Sonntag, 12. 04. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Luise Müller (Innsbruck, Tirol)

 

 

Ich sehe das Foto ständig vor meinem inneren Auge: Wie meine kleine Enkeltochter Hanna, gerade mal eineinhalb Jahre alt mit einer leuchtend orangen Weste und einem langen Stecken energisch durch den keimenden Wald stapft, dessen Boden von einem grünweißen Teppich aus Buschwindröschen bedeckt ist. Das Kind – die pure Lebenslust, die Bäume – mit glänzenden braunen Knospen nach einem langen Winter, die Blumen – Boten des Frühlings.

 

Für mich ist das heuer mein Osterbild. Kein Hase, kein Ei, kein leeres Grab. Nur beginnendes Leben, noch in der Entwicklung. Aber man kann schon ahnen, was da noch alles draus werden kann. Das ist Ostern. Der Anfang nach einem tödlichen Winter. Das Leben nach einem grausamen Tod. Das Licht nach dem Dunkel, die Freude nach dem Leiden.

 

Die Geschichte, die uns dazu in der Bibel erzählt wird ist so unbegreiflich, dass viele nichts damit anfangen können. Einer, der gestorben ist, lebt wieder. Jesus, dem sie den Prozess gemacht hatten und den sie zur Todesstrafe verurteilt hatten, starb nach qualvollen Stunden am Kreuz. Heute, zwei Tage später, ist das Grab leer. Der, von dem man weiß, dass er tot war, lebt. Unbegreiflich?

 

Unbegreiflich, damals wie heute! Die Triebe nach einer scheinbar nicht enden wollenden Kälte, die über Nacht da sind. Das Braun der Bäume, das lange Zeit tot und grau wirkte, fängt an zu glänzen und zu funkeln, wenn die Sonne drauf fällt und verändert sich stündlich Richtung grün. Der Freund, der lange Zeit durch eine Depression ging, wie tot war, fängt wieder an, ohne Medikamente sein Leben in die Hand zu nehmen. Die junge Frau, wie abgestorben nach einer enttäuschten Liebe erlebt einen Neuanfang, mit dem sie nicht mehr gerechnet hatte. Aus dem Bitteren wird Befreiendes, aus dem Toten wächst neue Beziehung.

 

Das ist Auferstehung. Ich weiß, dass das für manche zu wenig scheint. Sie wollen von mir und anderen Pfarrern hören, dass dieser Jesus auferstanden ist und dass das damals eine ganz und gar einmalige Sache war. Jesus ist auferstanden, das ist wahr. Aber ebenso wahr ist es, dass sich Auferstehung jeden Tag ereignen kann und ereignet. Das, was uns in der Bibel berichtet ist, hat einen Bezug zu meiner Realität. Es kann sich auch in meinem Leben ereignen, meinen festgefahrenen, toten Alltag. Mein Tod mitten im Leben ist nicht das letzte Wort, das Gott spricht.

 

Nach dem Stillstand kommt die Bewegung. Und mit meiner kleinen Kraft stehe ich auf, setze einen Schritt vor den anderen und gehe in ein neues Leben.

 

Meine liebste Ostergeschichte ist die der zwei Freunde Jesu, die traurig unterwegs sind, nicht wissend, wie das Leben je wieder lebenswert werden soll, nachdem Jesus tot ist. Sie unterhalten sich, gefangen in ihrer Trauer. Da kommt ein Fremder und geht ein Stück mit. Und er stellt ihnen Fragen, sie antworten und schütten ihm ihr Herz aus. Und er versteht sie. Sie laden ihn ein, bei ihnen zu bleiben, mit ihnen zu essen. Er tut es, und als er mit ihnen das Brot teilt, da erkennen sie ihn. Es ist der totgeglaubte Jesus. In dem Moment, in dem sie sich auf ihn einlassen, beginnt ihre Auferstehung. In dem Augenblick, in dem sie sich ihm öffnen, weicht die Trauer der Freude, wird aus dem Fremden ihr Herr, Jesus Christus.

 

Das ist es, was ich Ihnen wünsche: dass Sie in dem Menschen, dem Sie ihr Herz ausschütten können, der dem Abgestorbenen in Ihnen zum Leben verhilft, der Sie auferstehen lässt, der Ihnen Kraft gibt, Ihren Weg zu gehen, Gott erkennen.