Das Evangelische Wort

Sonntag, 26. 04. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

„Servicestelle Kirche“

von Elisabeth Kluge

 

 

Meine Pfarrgemeinde gehört in Wien zu den wenigen evangelischen Pfarrgemeinden, die auch selbst den Kirchenbeitrag einheben. Da erlebt man Positives, wenn Gemeindeglieder ohne Diskussion ihren Kirchenbeitrag in Höhe ihrer Vorschreibung zahlen. Oder auch sonst sehr gern spenden. Und man erlebt eben auch Negatives, wenn über Kleinigkeiten wie 3,50€ gestritten wird.

 

Hin und wieder kommt es dann auch vor, dass einige wenige Kirchenbeitragszahlerinnen und –zahler mit uns eine Diskussion anfangen. Wozu sollen sie diesen Kirchenbeitrag denn überhaupt zahlen? „Was bietet ihnen denn die Kirche?“ In schöner Regelmäßigkeit erzählt unsere Sekretärin dann, was die Kirche alles „leistet“ – von diakonischen Einrichtungen, evangelischen Schulen, Krankenhausseelsorge bis hin zu Gottesdiensten, Jugendarbeit, Arbeit mit Kindern, Erwachsenenbildung usw. Jedes mal, wenn ich mitbekomme, dass unsere Sekretärin diesen „Leistungskatalog“ aufzählt, bekomme ich Schluckauf. Manchmal muss ich die in mir aufsteigende Wut sogar mühsam unterdrücken. Und ich muss mich zurückhalten, solchen Menschen nicht zu raten, lieber gleich aus der Kirche auszutreten - wenn ihnen das eh alles nichts wert ist, was in unseren Pfarrgemeinden läuft und von unserer Gesamtkirche angeboten wird.

 

Aber dann bemerke ich auch oft – dieser Gedanke „Servicestelle Kirche“ hat auch Seiten an sich, über die nachzudenken ist. Vielleicht kann man nicht sagen, „er hat auch sein Positives“, aber zumindest sein „Bedenkenswertes“. Wenn ich auf unsere Gemeindearbeit schaue, dann gibt es da durchaus bestimmte Bereiche, die man als „Service“ bezeichnen könnte. Wir können in bestimmten Lebenssituationen Menschen etwas anbieten, was sie woanders oder aus sich selbst heraus vielleicht nicht oder nicht ohne weiteres finden können.

 

Ganz besonders fällt mir dazu der Bereich einer Beerdigung ein. Pfarrerinnen und Pfarrer geben in den Gesprächen vor einer Beerdigung die Möglichkeit, über die Trauer zu reden, die der Tod eines Menschen auslöst. In solchen Gesprächen ist auch Raum dafür, all das auszusprechen, was das Leben der oder des Verstorbenen ausgemacht hat – das, was positiv war und auch das, was beschwerlich war. Als Geistliche können wir zur Seite stehen, Hilfe in der Verarbeitung des Todes anbieten und Trost zusprechen durch die Hoffnung, die uns als Christinnen und Christen zu eigen ist. Die Hoffnung auf den Gott, der seinen Sohn Jesus Christus von den Toten auferweckt hat. Bei der Beerdigung selbst können wir durch die Psalmen aus dem Alten Testament der Trauer eine Sprache und vielleicht auch dem Zorn über den Tod einen Ausdruck geben. Gebete, die wir formulieren, können den Trauernden Stützen sein zu einem Zeitpunkt, in dem sie vielleicht selbst keine Sprache mehr haben oder wie betäubt von der Ohnmacht angesichts des Todes ihren Gefühlen keine Worte mehr verleihen können. In dieser Situation kann man sich fallen lassen in das, was der christliche Glaube und seine Vertreterinnen und Vertreter bieten – Sprache, Gedanken, die Vermittlung von Hoffnung, Zuversicht und Trost, die alten und wohlbekannten Geschichten und Verse aus der Bibel.

 

Aber trotzdem tue ich mir schwer mit dem Gedanken, das als „Service“ anzusehen. Für mich ist es vielmehr „Begleitung“ und „Hilfestellung“ und ganz besonders „Weitergabe von Glaube“. Als Pfarrerin kann ich das geben und vermitteln, was mich auch als Christin im Tiefsten meines Herzens bewegt – der Glaube an den Gott, der sein Volk Israel aus der Gefangenschaft ins gelobte Land führt. An den Gott, der aus lauter Liebe zu den Menschen seinen eigenen Sohn in diese mörderische Welt hinein gibt – und er stirbt. Der ihn aber auch wieder auferweckt und ihn damit ein für allemal die böse Grenze des Todes überwinden lässt. Davon kann ich reden, davon kann ich erzählen. Dadurch kann ich Mut zusprechen, Trost spenden, Hoffnung geben – oder auch Orientierung und Kenntnis. Und das muss ich auch tun – ich bin schließlich Pfarrerin. Unabhängig von diesem Beruf und meiner Arbeitsstelle sollte ich das auch als Christin tun.

 

Aber ist das „Service“? Im Alltag hilft dieser Gedanke manchmal, sich als Pfarrerin als Dienstleisterin zu verstehen. Er hilft zum Beispiel dann, wenn man von den Eltern eines Täuflings in einem Taufgespräch wieder einmal als Motivation für die Taufe nur allein hört: „Weil es eben dazu gehört und in der Familie so üblich ist.“ In solchen Momenten wünsche ich mir dann sehr, ich würde etwas hören vielleicht wie: „Wir möchten unser Kind taufen lassen, weil wir an diesen Gott glauben, der uns Menschen erschaffen hat. Dieser Gott, der uns durch seinen Sohn Jesus Christus befreit von aller Schuld und uns ein Leben schenkt in Freiheit – in Freiheit, selbst vom Tod.“ Solche Worte würden eine Taufe nicht in den Geruch einer Dienstleistung und einer Inanspruchnahme eines Services geraten lassen. Solche Worte wären vielmehr christlicher Glaube, der aus dem Herzen kommt.