Das Evangelische Wort

Sonntag, 03. 05. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendent Manfred Sauer (Villach, Kärnten)

 

 

Jes. 65, 8

So spricht der Herr;

Wie wenn man noch Saft in der Traube findet und spricht:

Verdirb es nicht, denn es ist ein Segen darin!

so will ich um meiner Knechte willen tun, dass ich nicht alles

verderbe.“

 

Die Kraft des Zusammenlebens - Wer sein Leben mit anderen teilt, bleibt eher gesund. Warum Gemeinschaft unser Wohlbefinden erhöht. So lautete vor kurzem die Titelgeschichte einer renommierten Wochenzeitung.

 

Ein kurzer Ausschnitt daraus: Zweisamkeit hilft: Wunden heilen schneller, Depressionen sind seltener.

James Coan ist nur einer von vielen Forschern, die ein altbekanntes Phänomen neu erforschen: Die heilsame Kraft der sozialen Beziehung. Mediziner, Hirnforscher und Statistiker finden immer neue Belege dafür, wie Menschen vom Zusammenleben mit anderen profitieren.

Den aktuellen Kenntnisstand fasst Coan so zusammen: Bei Menschen in einer engen Beziehung heilen Wunden schneller, sie werden seltener krank, sind weniger anfällig für Depressionen und Ängste und leben sogar länger. Das Fehlen sozialer Beziehungen ist ein ebenso hohes Gesundheitsrisiko wie Zigarettenkonsum, hoher Blutdruck, Übergewicht und Bewegungsmangel.

 

Der Harvard-Soziologe Robert Putnam empfahl in seinem Buch „Bowling Alone“, statt abzunehmen, regelmäßig zu trainieren oder das Rauchen aufzugeben, sollte man lieber einem Verein beitreten.

 

Das klingt doch gut. Vielleicht sollten wir damit viel offensiver auch für unsere Kirche werben. Tu etwas für dein Wohlbefinden, für deine Gesundheit, für deinen Seelenhaushalt und tritt wieder ein! Komm zu uns. Mach mit. Bring dich ein.

 

Es ist keine wirklich revolutionär neue Erkenntnis, denn jeder von uns kennt die Erfahrung: Gemeinsam ist besser als einsam. Miteinander ist zielführender als gegeneinander. Es tut gut, sich in eine größere Gemeinschaft einzubringen. Es steigert das Wohlbefinden und das Selbstwertgefühl, wenn man mitdenken, mitgestalten kann. Es macht zufriedener, wenn man die Erfahrung macht, von anderen gebraucht und geschätzt zu werden. Es ist spannend mit anderen zu planen, zu überlegen. Es ist aufregend mit anderen ein Projekt zu entwickeln und umzusetzen.

 

Verdirb es nicht – das ist die warnende Mahnung des Propheten Jesaja.

Neben aller Euphorie gibt es auch die kritischen Momente von Gemeinschaften, auch von kirchlichen Gemeinschaften.

 

Zusammen sind wir unausstehlich – heißt ein anderer bekannter und bissiger Spruch. In einer Gemeinschaft kann es auch ganz schön gemein zugehen. Besonders dann, wenn hinterrücks agiert wird, wenn um Positionen gerungen wird und Eitelkeiten im Spiel sind. Wenn die Vorstellungen stark auseinandergehen und feindliche Lager entstehen

 

Verdirb es nicht! Sei vorsichtig, sei behutsam, sei einfühlsam. Achte auf die Leisen, auf die Schwachen, schau auf die Ausgepowerten und Ausgelaugten. Achte auf den kleinsten Tropfen der sich bei einer ausgequetschten Traube finden lässt – um im Bild des Jesaja zu bleiben.

 

Verdirb es nicht. Vertrau darauf, dass auch im Kleinsten viel Kraft steckt, vertrau darauf, dass Gott in den Schwachen mächtig sein kann.