Das Evangelische Wort

Sonntag, 24. 05. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Matthias Geist

 

 

In der vergangenen Woche war es wieder so weit in unserem evangelischen Kindergarten. Eine „spielzeugfreie“ Woche war angesagt – für einen Kindergarten durchaus ungewöhnlich, aber wunderbar zugleich. Denn viele Eltern stellen fest: Unsere Kinder sind im Normalfall von zu viel Spielzeug umgeben. Ordnung machen, Ungebrauchtes wegwerfen und Unnötiges erst gar nicht anschaffen, das ist eine Kunst, die weder Eltern noch Kinder immer besitzen. Vorhandenes schätzen zu lernen und damit Neues auszuprobieren, lässt die Kinder dankbar werden. Und eben das ist Ziel im Kindergarten – gerade auch der spielzeugfreien Woche.

 

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin; wunderbar sind deine Werke; das erkennt meine Seele. (Psalm 139, 14)

 

Ein starkes Zeugnis über mein Mensch-Sein. Wann hat meine Seele das zuletzt erkannt? Die Seele, die im hebräischen ja auch mit der Kehle zu tun hat. Die einatmet und spricht, die isst und aufnimmt, die Seele, die gereizt sein kann oder die sich fühlt, als ob das Wasser sprichwörtlich bis zur Kehle reicht.  

 

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Ich bin einzigartig. Und ich bin fähig, eigenes zu fühlen, eigene Gedanken zu denken, die mir niemand nehmen kann. Ganz ohne Hilfsmittel. Außer den leibhaften Gaben der Schöpfung, die mir zur Verfügung stehen. Die spielzeugfreie Woche fasziniert mich in ähnlicher Weise. Alles wird gemeinsam mit den Kindern weggeräumt, eine kleine Trennung und Verabschiedung von Liebgewordenem für eine Woche. Und die Kinder erleben gespannt, was wohl werden wird. Der 4-jährige Konrad sammelt zu Hause Joghurtbecher, die 5-jährige Natascha Klopapierrollen und anderes, womit man basteln kann oder eine neue Spielzeugwelt entdecken kann. Enthaltsam, reduziert auf das Wesentliche schaffen Kinder, die im Überfluss leben, Neues und Wertvolles. Sie genießen die eigene Kreativität, ihre schöpferischen Möglichkeiten. Sie prüfen ihre Geschicklichkeit und lernen mit anderen gemeinsam auf dem Weg zu sein, nichts Fertiges schon zu haben.

 

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Das Unfertige in mir, das, was sich entwickeln darf, und auch das Unvollkommene darf in den Dank einstimmen. Wer ich auch bin und wie ich mich selber im tiefsten Inneren kenne, bin ich da für mich noch wunderbar? Was heißt das, wenn ich nicht zufrieden bin – mit mir oder meiner Umwelt? Wenn ich verletzt habe oder verletzlich bin? Manchmal behindere ich mich selbst. Dann wenn ich nicht loslassen kann vom Drang, alles zu planen, alles gut zu machen, alles mit Besonderheit zu erleben. Manchmal werde ich auch behindert oder fühle mich so. Weil ich mich von Kindheit an irgendwie fremd fühle, in meinem Körper oder gehemmt oder verlassen und einsam. Wie viele möchten sich frei fühlen und nicht gebunden! Doch Gott lässt es gut sein. Gott mag mich, Gott sieht mich ganz an mit meiner Lebensweise, meinem Denken, Handeln und Aussehen. Und Gott mutet mir meine ganze Person auch zu.

 

Ich danke dir dafür, dass ich wunderbar gemacht bin. Unter diesem Leitwort konnte nicht nur eine spielzeugfreie Woche stehen. Mit diesem Dank aus den Psalmen befasste sich in der vergangenen Woche auch eine Tagung in Deutschland für über 100 Gefängnisseelsorger. Die Frage war: Wie können Menschen, die keinen Freiraum mehr haben, dankbar sein? Die Enthaltsamkeit einer spielzeugfreien Woche kennen sie zur Genüge und viele nutzen die Zeit als Häftlinge im Gefängnis ebenso. Sie entfalten neue Talente und kommen mit bescheidenen Verhältnissen erstaunlich gut zurecht. Aber mit der eigenen Geschichte fertig zu werden, das ist dennoch schwer, wenn es einem eng wird und der Horizont kaum 5 Meter reicht. Und wer krank ist und ans Bett gefesselt, kann es nachempfinden: Ich bin weg vom Leben, und das führt oft unweigerlich zur Klage: Nichts ist wunderbar! Aber hier hinein hören wir, den Psalm, der mehr sagt als viele Ratschläge, wie wir sein sollen oder was wir tun sollen. Schau dich  an und was um dich ist! Und lass dich auch im Geschenk des einfachen und eingeschränkten, aber auch vielfältigen Lebens heil machen. So ist es uns möglich, Gott zu danken, dass wir wunderbar gemacht sind.