Das Evangelische Wort

Sonntag, 12. 07. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Ingrid Bachler (Wels, OÖ)

 

 

„Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit, in einer Welt, in der nichts sicher scheint. Gib mir in dieser schweren Zeit, irgendwas, das bleibt.“

 

So singt die Gruppe Silbermond in ihrem Lied mit dem Titel: „Irgendwas bleibt“ und die Fangemeinde im Internet fühlt sich verstanden und schreibt begeisterte Kommentare. Ein Freund, ein Wort, eine Blume, die Welt zieht an uns vorbei, die gefühlte Zeit vergeht so schnell und morgen ist alles schon wieder anders. Das Album der Gruppe heißt bezeichnenderweise: „Nichts passiert.“ „Es passiert nichts, du musst dich nur ruhig verhalten“, höre ich da heraus. „Hab keine Angst, du darfst deine Sehnsüchte ausleben, aber zu Hause, im Geheimen.“ Das Lied trifft bei vielen genau die gegenwärtige Stimmung. Eine neue Innerlichkeit ist angesagt. Die Finanzkrise, die wirtschaftlichen Sorgen, der unsicher gewordene Arbeitsplatz, die Schnelllebigkeit unserer Zeit, das alles ist zu viel. Jetzt ist Zeit für die Reise nach Innen: Der Urlaub in die Ferne ist abgesagt, dafür wird ein größerer Fernseher angeschafft. So kann man sich bequem von zu Hause aus die Welt ansehen. Der Videomarkt boomt. Es werden mehr DVDs gekauft und die Menschen verbringen mehr Zeit vor dem Fernseher. Der gesteigerte Konsum von Schokolade überrascht mich da auch nicht mehr.

 

„Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit“, die scheinbare Sicherheit wird erkauft mit dem Rückzug nach Innen auf die gemütliche Couch zur glänzenden Videowelt und dem immer wiederkehrenden Refrain: „Gib mir irgendwas, das bleibt“. Was ist in unserer Zeit noch beständig, was bleibt?

 

In der Apostelgeschichte lese ich über die erste christliche Gemeinde: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“. Das sind für mich die kürzesten vier Handlungsanweisungen für das Verhalten in der Krise: Mit der Lehre der Apostel ist die Botschaft der Bibel gemeint. Die biblische Aufforderung, am Reich Gottes mitzuarbeiten indem wir den Nächsten, wo er auch ist, nicht aus den Augen verlieren. In christlicher Gemeinschaft zu leben bedeutet die ständige Herausforderung, im anderen nicht eine Bedrohung, sondern das Ebenbild Gottes zu erkennen und dem biblischen Auftrag zu folgen: Fremde aufzunehmen, Hungrige zu speisen und Gefangene zu besuchen. Dieser Auftrag gilt gerade auch in Krisenzeiten. Das Brotbrechen, die gemeinschaftliche Abendmahlsfeier im Gottesdienst ist für die geistliche Stärkung gedacht. Nicht einsam die Schokolade vernichten im Rückzug auf das Sofa, sondern mit anderen Teilen, gemeinsam genießen und sich freuen. Und schließlich das Gebet: Es ist der Weg in die Ruhe und die Besinnung. Aus dieser Ruhe heraus kommt auch wieder der Sieg über die Angst, die Kraft für den nächsten Tag und die Freude am Leben. Der Theologe Dietrich Bonhoeffer spricht von „Beten und Tun des Gerechten“.

 

Die Forderung „Gib mir ein kleines bisschen Sicherheit“ greift viel zu kurz. Sie überdeckt nur den Moment des inneren Rückzugs und hilft nicht. Wirkliche Sicherheit bekomme ich aus den Momenten gelungener Gemeinschaft mit anderen und dem Leben im hier und jetzt.