Das Evangelische Wort
Sonntag, 26. 07. 2009, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Superintendent Dr. Gerold Lehner
Jesus aber ging auf einen Berg und setzte sich dort mit seinen
Jüngern.
Da hob Jesus seine Augen auf und sieht, dass viel Volk zu ihm kommt
und spricht zu Philippus: Wo kaufen wir Brot, damit diese zu essen
haben?
Das sagte er aber, um ihn zu prüfen; denn er wusste wohl, was er tun
wollte.
Es ist eine merkwürdige Erzählung in den Evangelien. Merkwürdig
deshalb, weil Jesus hier ganz bewusst eine Frage stellt, auf ein
Problem aufmerksam macht, um seine Jünger zu lehren, ihnen etwas zu
zeigen.
Man fragt sich unwillkürlich: Ist das notwendig, die Jünger
vorzuführen, etwas zu demonstrieren, sich womöglich selbst in den
Vordergrund zu spielen auf ihre Kosten.
Aber so ist es nicht. Es geht ganz offensichtlich nicht darum,
jemanden bloßzustellen, zu zeigen, wie dumm er ist. Es scheint eher
darum zu gehen ein typisch menschliches, ganz tief im Menschen
verankertes Reaktionsmuster in Frage zu stellen und zu durchbrechen.
Tatsächlich geht es darum, etwas zu lernen, etwas Elementares für
das christliche Leben.
Philippus antwortete ihm: Für zweihundert Silbergroschen Brot ist
nicht genug für sie, dass jeder unter ihnen ein wenig bekomme.
Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon
Petrus: Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei
Fische; aber was ist das für so viele?
Das Problem ist ein Mangel. Viele sind zusammengekommen um Jesus zu
hören, um mit ihm zu sprechen um ihm nahe zu sein. Aber jetzt wo die
leiblichen Bedürfnisse sich melden, taucht die Frage auf: Gibt es
etwas zu essen?
Man könnte sagen: Eine dumme Frage. Was interessiert es Jesus und
die Jünger ob die Menschen, die zu ihm kommen zu essen haben? Das
ist ja wohl deren Problem. Aber vielleicht ist das die erste
Lektion: Wenn es einen Mangel gibt nicht wegzusehen, sondern
Verantwortung zu übernehmen. Denen die kommen, Gastfreundschaft zu
gewähren.
Aber richten wir unseren Blick auf das Reaktionsmuster der Jünger.
Die Reaktion auf den Mangel ist logischerweise der Blick auf die
eigenen Ressourcen. Und dieser Blick ist ernüchternd. Die
finanziellen Ressourcen reichen bei weitem nicht aus und das, was an
materiellen Ressourcen vorhanden ist, ist bestenfalls ein Witz. Was
wir haben reicht also nicht und das führt in die Resignation.
Eine weit verbreitete Einstellung in Kirche und Welt. Wir spüren die
Bedürfnisse der Menschen nach Glauben, nach Begegnung, nach
Seelsorge, nach Orientierung bei jung und alt, aber wir haben nicht
die Mittel um eine ordentliche Gemeindearbeit, Gemeindepastoral auf
die Beine zu stellen.
Wir sehen die Not in der Welt und den Hunger, aber was sollen wir
tun? Unsere Mittel sind begrenzt, in der Größe der Not wirken sie
wie ein Tropfen auf dem heißen Stein.
Ich stelle mir das so bildlich vor: Da war ein Kind in der Nähe der
Jüngergruppe gestanden und hatte die Diskussion mitgehört. Hatte
begriffen, dass man Brot brauchte, etwas zu essen. Und so war dieses
Kind vertrauensvoll zu Andreas, dem Bruder des Petrus gegangen und
hatte ihm fünf Brote und zwei Fische gegeben. Und Andreas hatte
resignativ geseufzt, vielleicht zynisch die Augen verdreht vor so
viel Naivität.
Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel
Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.
Jesus aber nahm die Brote, dankte und gab sie denen, die sich
gelagert hatten; desgleichen auch von den Fischen, soviel sie
wollten.
Was ist hier geschehen? Ich sage, es ist eine Umkehr der
Blickrichtung geschehen. Die Situation ist für alle gleich
geblieben, aber wie sie angesehen wurde, das war völlig verschieden.
Wo die Jünger nur die Defizite im Eigenen sahen, das, was nicht
reicht, was zu wenig ist, dort handelt Jesus anders: Er nimmt das,
was da ist. Er richtet den Blick auf das Vorhandene. Er schätzt es
nicht gering. Er nimmt das, was da ist zum Ausgangspunkt des
Glaubens und Vertrauens auf einen Gott, der über unser rationales
Begreifen hinaus handelt.
Als sie aber satt waren, sprach er zu seinen Jüngern: Sammelt die
übrigen Brocken, damit nichts umkommt.
Da sammelten sie und füllten von den fünf Gerstenbroten zwölf Körbe
mit Brocken, die denen übrig blieben, die gespeist worden waren.
Das ist der Glaube, den ich mir wünsche, für die eine Kirche Jesu
Christ: Dass wir die Nöte sehen, dass wir Verantwortung dafür
übernehmen. Und dass wir dabei das tun, was uns möglich ist. Dass
wir unsere kleinen Gaben, die wir haben schätzen, als von Gott
gegeben annehmen, dafür danken, dass sie da sind und mit ihnen
handeln, weitergeben, was uns gegeben ist. Und in allem darauf
vertrauen, dass es Gott ist, der mit unseren kleinen Kräften über
unser Begreifen hinaus zum Heil der Menschen handelt.
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