Das Evangelische Wort

Sonntag, 23. 08. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Ingrid Tschank (Gols, Bgld.)

 

Der Flug ins Paradies

„Einmal Paradies und zurück, hatte er gesagt und sich im Reisebüro ein Ticket in ein Hotel am Meer gekauft. Die Träume dazu gab es gratis im Prospekt: Sonne, Sand und Meer; braune Haut und roten Wein, leben nach Lust und Laune, … Noch beim Landeanflug träumte er von drei Wochen im Paradies.

 

Aber im Hotel waren die Balkone eng übereinander getürmt und die Menschen auch nur wie du und ich. Die Zimmernachbarn kannte er bereits aus dem Flugzeug, sie hatten die Plätze neben ihm.

 

Der Tag begann anstrengend, die letzten freien Plätze im Sand waren bereits gegen 10 Uhr vergeben. Zu Mittag gab es Schnitzel und Bratwurst, selbst der spanische Kellner sah nur wie ein einheimischer aus und sprach fließend Deutsch. Beim Stammtisch am Abend hatte ihn sein Alltag wieder eingeholt. Als es dann zu regnen begann, fasste er einen Entschluss. Er verließ das Paradies und lief hinaus ins Freie, vorbei an hundertjährigen Olivenbäumen durch rote Mohnblumenfelder und setzte sich ans alte Gemäuer eines Windrades. Er hörte zu, was Windrad, Regen und Wind ihm flüsterten:

 

Dreh dich nicht dauernd um dich, sagte das Rad, ersteige einen hohen Berg und schau hinunter, dann begreifst du, was groß und klein ist.

 

Schau hinaus aufs unendliche Meer, sagte der Regen, da siehst du, was wirklich trägt.

 

Lege dein Ohr auf den Boden sagte der Wind und lausche auf die Schritte derer, die vor dir über dieses Land gingen: Es waren Phönizier, Griechen, Römer und Araber; sie brachten Keramik, Feigen, und Wein, Wasserspiele und Olivenbäume.

 

Und was bringst du?

Da lief er eilends zurück in sein Hotelzimmer und kramte hastig in seinen Koffern. Unter Sonnencreme und Badehose, Zahnbürste und Fotoapparat fand er nichts. Bis er verstand: Mich bringe ich mit, so wie ich bin. Er erinnerte sich, was Rad, Regen und Wind ihm geflüstert hatten, atmete tief durch und sah den Rest des Urlaubs mit anderen Augen.“ (Geschichte von Klaus Nagorni)

 

Die Sehnsucht nach dem Paradies ist in uns allen bis heute lebendig.

Das Wort Paradies kommt aus der persischen Sprache und bedeutet „Garten“. Die bekannteste Erzählung, in der das Paradies wie ein Garten beschrieben wird, ist die biblische Geschichte von der Schöpfung der Welt aus dem 1. Buch Mose: Und Gott der Herr pflanzte einen Garten in Eden gegen Osten hin und setzte den Menschen hinein, den er gemacht hatte. (1. Mose 2, 8)

 

Auch das Neue Testament kennt die Vorstellung vom Paradies. Jesus spricht jedoch mehr vom Reich Gottes, dass mitten unter uns nahe herbei gekommen ist. Er fordert uns auf, das Reich Gottes unter uns wahrzunehmen, darin zu leben und mit allen unseren Kräften und mit unserem Glauben dabei mitzuwirken, dass es unter uns Wirklichkeit wird.

 

Zu allen Zeiten haben Menschen versucht, den Ort zu finden, wo das Paradies sein könnte. Manche sehen darin eine wunderbare Landschaft, andere vermuten das Paradies im Himmel. Heute wird die Vorstellung vom Paradies verstärkt in der Werbung eingesetzt. Da werden gerade im Sommer Hotelanlagen und Badestrände zum Paradies wie auch Restaurants und Freizeiteinrichtungen. Die Werbung nützt dabei die uralte Sehnsucht des Menschen nach Glück, Unbeschwertheit und Liebe aus.

 

Die Sehnsucht nach dem Paradies hält in uns allen die Erinnerung und die Hoffnung wach, dass wir Menschen nicht in dem aufgehen, was wir besitzen und was wir leisten. Wir tragen Gottes Geist in uns, er hat ihn uns in der Schöpfung eingehaucht. Dieser Geist verbürgt unseren Wert und unsere Würde und hebt uns über alles Materielle und Irdische hinaus. Der Mensch ist und bleibt ein Erdenkind, aber er ist zugleich durch die Taufe ein gesegnetes Gotteskind: Zur Freiheit geschaffen, zur Liebe befähigt und zum Glück bestimmt.