Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 10. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz                                        

 

 

"Es gibt keinen Gott!". Plakate mit dieser Aufschrift konnte man im Sommer beim spazieren gehen von einer Sehenswürdigkeit zur andern, von gotischer Kirche zu barocker Kapelle, von Heiligenstatue zu Wegkreuz, gelegentlich sehen. Es mutet an wie ein Widerspruch. Zwischen tausend Signalen göttlicher Präsenz, oder wenigstens des Glaubens an ihn, eine - nicht gerade zaghafte - Stimme, dass es Gott gar nicht geben soll.

 

Den Tod Gottes zu proklamieren ist nicht neu. Das hat nicht erst mit Friedrich Nietzsche begonnen. "Gott ist tot! Nietzsche". Das stand vor Jahren an einer Hauswand in Berlin. Einer, dem das gar nicht recht war, hat darunter gesprayt: "Nietzsche ist tot! Gott".

 

Es sieht so aus, als hätte sich da jemand einen Spaß erlaubt. Aber eigentlich ist das einer ernsthaften Überlegung wert. Es geht um die Gottesfrage, die so alt ist wie die Menschheitsgeschichte. Wenn Gott tot ist - so die Überlegung - dann muss er immerhin einmal gelebt haben. Und woran ist er dann gestorben?

 

 Nietzsche lässt in seiner Parabel vom "tollen Menschen" einen Mann am helllichten Tag mit einer Laterne durch die Straßen laufen. Der ruft ständig: "Ich suche Gott! Ich suche Gott!" Die Leute fragen ihn: "Ist er etwa verloren gegangen? Oder hält er sich versteckt? Fürchtet er sich vor uns? Ist er vielleicht ausgewandert?" Und ein großes Gelächter bricht los. Für ihn gibt es da nichts zu Lachen. Ihm ist klar, woran Gott gestorben ist: "Wir haben Gott getötet - ihr und ich,  wir alle sind seine Mörder."

 

Nietzsche hat kein Interesse daran, philosophisch die Nichtexistenz Gottes zu beweisen, denn das geht genau so wenig wie man einen Gottesbeweis erstellen kann. Da steht Aussage gegen Aussage. Der "tolle Mensch" will sich auch nicht schlagen mit Theologen. Er wehrt sich aber gegen die Oberflächlichkeit, mit der viele Menschen das Abhandenkommen Gottes  hinnehmen und seine Folgen nicht begreifen. Es ist wie ein Fall in die Tiefe, in eine trostlose Leere. Den Atheismus hält er nicht für einen Sieg!

 

Manchmal ist es Notwehr. Wo um Gott geworben wird wie um ein Waschmittel, wo er wie ein Monument behauptet und vermessen wird, wo das Unverfügbare mit menschlicher Logik schlüssig bewiesen werden soll um es "Ungläubigen" dann entgegen zu halten, da ist es angebracht, Widerstand zu leisten.

 

Dorothee Sölle, die gerade 80 Jahre alt geworden wäre, hat in ihrem Buch "Atheistisch an Gott glauben" solchen Widerstand geleistet. Sie regt an, dass alle, die das Wort "Gott" in den Mund nehmen, sagen und zeigen sollen, was dieses Wort über Menschen und ihre Verhältnisse aussagt, oder einfach ausgedrückt: Wer Gott sagt, muss verständlich machen können, was das für ihn bedeutet, wie "Gott" - der Glaube an ihn - sein Leben beeinflusst, prägt, trägt oder beunruhigt. Er soll dieses Wort nicht benutzen als eine Fluchthilfe ins Unhinterfragbare.

 

Im Übrigen stecken in der Bibel selbst schon Ansätze einer Verweltlichung.

Wenn im Schöpfungsbericht von Gott die Rede ist, wird damit die Vorstellung der Göttlichkeit von Sonne, Mond und Sternen und aller anderen Mächte entzaubert. Und wenn dem Menschen die Verantwortung über die Natur übertragen wird, dann wird er eingespannt ins Irdische.

 

Ist Gott nur ein Gerücht? Selbst wenn es so wäre, dann möchte ich leben

als gäbe es ihn.