Das Evangelische Wort

Sonntag, 25. 10. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von OKR Hannelore Reiner

 

 

„Gutes und Barmherzigkeit werden mir folgen mein Leben lang und ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ So endet der 23. Psalm, ein Lied aus dem alten Israel, das auch heutige Menschen in erstaunlicher Weise anspricht.

 

Bleiben können im Hause des Herrn… nicht auf und davon müssen. Unter dem Schutz eines festen Daches leben zu können, das brauchen wir Menschen, damals und heute. Der Psalmbeter vertraut darauf, dass ihm dies auch geschenkt wird.

 

Vor einem halben Jahr ging ein Bild durch die Medien: Auf dem Wiener Heldenplatz steht eine ausrangierte Kirchenbank neben vielen anderen Sitzgelegenheiten. Überall haben sich Menschen niedergelassen, gemütlich, ohne Hektik. Es handelte sich um eine öffentliche Kundgebung des Vereins „Bleiberecht“. Die Kirchenbank sollte zeigen: Christinnen und Christen setzen sich dafür ein, dass Menschen einen Ort finden, an dem sie bleiben können und Wohnrecht haben.

 

Bleiberecht: Das Wort allein macht schon stutzig. Gibt es ein Recht zu bleiben? Oder umgekehrt gefragt: Wie kann man recht bleiben? Der österreichische Staat hat seit Gründung der 2. Republik, deren Existenz wir gerade morgen wieder feiern, Menschen aus unterschiedlichsten Herkunftsländern ein Bleiberecht in unserem Land angeboten. Kaum war der Staatsvertrag unterschrieben, kam es 1956 zum Ungarnaufstand. Tausende flüchteten über die damals noch eiserne Grenze und fanden eine neue Bleibe in Österreich. Längst ist ihnen unser Land zur zweiten Heimat geworden, auch wenn sie ihre Muttersprache nach wie vor pflegen und auch erhalten wollen. 11 Jahre später flüchteten Menschen aus der damaligen Tschechoslowakei in unser Land und wieder gab es Platz für alle jene, die unter den politischen Zuständen des Nachbarlands nicht mehr bleiben wollten und nicht mehr bleiben konnten. Und noch einmal wälzte sich ein wahrer Flüchtlingsstrom während und nach dem Balkankrieg nach Österreich. Die Hoffnung auf ein Recht zu bleiben wurde auch diesmal nicht enttäuscht. So hat sich Österreich als ein Asylland ersten Ranges in all den Jahrzehnten gezeigt und bewährt. Es hat damit unzählig viele heimatlose Menschen spüren lassen, dass der Schluss des 23. Psalms auch hier und heute Wirklichkeit werden kann. Sie haben eine Bleibe gefunden.

 

Bis zur Stunde setzen Menschen all ihr Hab und Gut, bis hin zum nackten Leben ein, um unter besseren Lebensbedingungen für sich und ihre Kinder ein neues Daheim zu finden. Unser Staat hat sich aber in letzter Zeit darauf verständigt, dass nicht bloß die Eintrittsbedingungen hochgeschraubt werden, sodass es nur noch wenigen gelingt, Asyl zugesprochen zu bekommen; er lässt auch jene, die schon einige Jahre hier leben, in der Ungewissheit, ob es auch noch künftig Platz für sie geben wird.

 

Da lebt etwa eine Frau mit ihren drei Kindern seit gut vier Jahren in Österreich. Die Kinder sprechen Deutsch, sind in den Schulen integriert. Die Mutter, Kosovarin, ist Witwe und hat endlich eine Arbeit in der Kleinstadt gefunden. Der Asylantrag der Familie wurde immer wieder abgelehnt. Der Kosovo ist kein Kriegsland mehr. Warum geht sie nicht mit ihren Kindern zurück in ihre Heimat? Die Antwort ist einfach: Weil sie dort auch keine Bleibe mehr hat. Der Mann ist im Balkankrieg ums Leben gekommen, die Großfamilie zerrissen. Noch hofft sie mit ihren Kindern auf das Recht, in Österreich bleiben zu können.

 

Gibt es ein Recht auf Bleiben? Die Kirchenbank am Heldenplatz will sagen: Wer heute eine Bleibe braucht, der soll sie erhalten, erst recht, wenn er und sie schon über einige Jahre einen Wohnplatz in unserem Land gefunden haben. Dabei fällt mir immer wieder der Schluss des 23. Psalms ein: „Ich werde bleiben im Hause des Herrn immerdar.“ Wer immer dieses Lied betet, weiß um die Notwendigkeit einer Bleibe auf Dauer, und vertraut darauf, dass Gott solche Bleibe uns Menschen schenkt. Sollte uns das nicht dazu führen, auch jenen ein Wohnrecht in unserem Land zu ermöglichen, die schon so lange darauf warten.