Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 11. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

Licht in dunkler Zeit

von Pfarrerin Marianne Fliegenschnee (Wien)

 

 

Jetzt im November, wo es draußen so kalt und neblig ist – jetzt, wo die Sonne es immer schwerer hat, bis zu uns durchzudringen – jetzt, wo es finster ist, wenn wir aufstehen und schon wieder finster ist, wenn wir am Abend nach Hause kommen - jetzt, in dieser Jahreszeit, wird mir immer wieder bewusst, wie wichtig für mich das Licht ist.

 

Viele Lichter gibt es in unserem Leben. Kleine und große, grelle und schummrige, weiße und bunte. Viele Lichter gibt es in unserem Leben. Und das ist auch gut so, denn ohne Licht würden wir im Dunkeln sitzen. Ohne Licht würden wir den Weg nicht finden. Ohne Licht würden wir die Orientierung verlieren.

 

In dieser Jahreszeit ist mir das Licht besonders wichtig. Jetzt brauche ich es hell in den Räumen, in denen ich mich aufhalte. Nicht nur weil es draußen so dunkel ist, sondern auch, weil der Nebel und die Kälte jedes Jahr immer auch ein bisschen in mein Herz kriechen und es auch dort in dieser Jahreszeit dunkler wird. Da tun mir Glühbirnen gut. Da erfreut mich jeder Sonnenstrahl, der es durch die Nebeldecke schafft, da ist jede Kerze eine große Bereicherung. Das Licht vertreibt nicht nur die Dunkelheit, es macht auch die Finsternis in meinem Herzen heller. Das Licht macht mich fröhlicher und hilft mir in dieser Zeit.

 

In diesen dunklen und trüben Tagen, werden uns auch die dunklen und trüben Seiten unseres Lebens mehr bewusst. Wir merken, dass es nicht nur sonnige Wiesen in unserem Leben gibt, sondern dass auch finstere Täler kommen können. Wir merken, dass es nicht nur für die Natur, sondern auch für uns einen Winter gibt. Und uns wird bewusst, dass auch unser Leben nicht ewig dauern wird, und dass auch wir einmal sterben werden.

 

Nicht ohne Grund denken wir gerade im November besonders an unsere Toten. Wir erinnern uns an die, die von uns gegangen sind. Wir gehen zu den Gräbern unserer Lieben und zünden auch dort Lichter an. Ich kenne Menschen, die dem nichts abgewinnen können, die der Meinung sind, dass Kerzen und Besuche am Friedhof niemandem etwas bringen. Ich sehe das anders. Ich finde es wichtig, dass gerade auf Friedhöfen Kerzen brennen. Nicht weil ich glaube, dass die Toten etwas davon haben. Ich halte es für wichtig, weil die Kerzen uns Lebenden etwas sagen wollen. Weil die Kerzen uns von Gott erzählen. Die Grablichter sagen uns: Hier auf dem Friedhof, hier wo alles noch kälter und noch grauer ist - wo unsere Verstorbenen in der Dunkelheit des Todes liegen - wo wir das Gefühl haben, dass so manches Licht erloschen ist. Hier, sind Lichter wichtig. Denn die Lichter erinnern uns, dass hier, gerade hier auf dem Friedhof, für uns alle ein Licht leuchte. Und dieses Licht heißt Jesus Christus. Sein Licht leuchte für uns. Es strahlt sogar durch die Nacht des Todes. Sein Licht gibt uns die Hoffnung, dass auch wir und unsere Verstorbenen nicht im Dunkeln bleiben; dass auch wir mit ihm ins Licht gehen werden - in Ewigkeit. Sein Licht leuchtet für alle, die zu ihm gehören wollen. Denn Jesus Christus spricht im Johannesevangelium: „Ich bin das Licht der Welt, wer mir nachfolgt wird nicht im Finstern gehen, sondern das Licht des Lebens haben!“ Daran erinnern uns die Kerzen an den Gräbern und deshalb finde ich es wichtig, dass gerade jetzt im November an den Gräbern die Lichter brennen.

 

Jesus Christus ist aber das wichtigste Licht in meinem Leben. Sein Licht leuchtet für mich - nicht nur in der Ewigkeit - sondern schon jetzt. Sein Licht hilft mir - vor allem dann, wenn es in meinem Leben finster ist. Jesus ist das Licht in meinem Leben. Er lässt mich nicht im Dunkeln sitzen, in welchem Dunkeln ich mich auch immer gerade befinde. Jesus ist das Licht in meinem Leben. Er gibt mir Orientierung und Halt, wenn mein Lebensweg durch dunkle Täler führt. Jesus ist das wichtigste Licht in meinem Leben. Er führt und leitet mich, er wärmt und stärkt mich, gerade jetzt in dieser dunklen und trüben Zeit.