Das Evangelische Wort

Sonntag, 27. 12. 2009,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendent Manfred Sauer (Villach, Kärnten)

 

 

Ein Jahr geht zu Ende und es ist wieder an der Zeit Bilanzen zu ziehen und zurückzublicken. Auch eine Hoch-Zeit der Karikaturisten, die versuchen noch einmal das Wesentliche auf den Punkt zu bringen. Welche Themen, welche Ereignisse waren besonders prägend und wichtig? Was hat uns überrascht, was hat uns verunsichert, was hat uns vielleicht sogar verändert? Worüber können wir mit einem Schmunzeln auf den Lippen nachsinnen, oder mit einem kräftigen Lachen noch einmal nachdenken?

 

Eine Karikatur ist mir besonders in Erinnerung geblieben. Es zeigt ein älteres, offenkundig sehr wohlhabendes Ehepaar beim Winterspaziergang. Der Mann wohlgenährt, die Frau an seiner Seite im Pelz, an der Leine ein kleiner Hund und es schneit ganz leicht. Die Frau beginnt das Gespräch: „Weißt du, was ich mir für das neue Jahr vorgenommen habe? Ich werde mich mehr in der Kirchengemeinde engagieren, vor allem in der Arbeitslosenhilfe und bei der Initiative gegen Kinderarbeit. Und was hast du an guten Vorsätzen für das neue Jahr?“ Der Mann antwortet: „Ich will den Umsatz um mindestens 10 Prozent steigern, eine Firma in Weißrussland gründen und Krause aus dem Vorstand kanten.

 

Diese Momentaufnahme entspricht dem klassischen Rollenklischee: Erfolgreicher, beinharter Geschäftsmann mit einfühlsamer, sozial engagierter Ehefrau an seiner Seite, so wie wir es auch immer wieder von den diversen Staatspräsidenten und erfolgreichen Wirtschaftskapitänen kennen. Will diese Karikatur nur das Altbekannte ansprechen, oder steckt noch etwas anders dahinter?

 

Zwei Welten, die hier aufeinanderprallen. Die Frau, die sich stärker in der Kirchengemeinde engagieren will. Ein Vorsatz, der nur zu begrüßen ist. Die Frau denkt und fühlt anders. Sie sieht nicht nur ihre Wirklichkeit, sondern bemüht sich auch anderen zu helfen. Sie nimmt die Nöte und Schwierigkeiten anderer wahr. Sie will ihren Beitrag leisten in der Welt. Sie nimmt Anteil.

 

Der Mann lebt ausschließlich in seiner Geschäftswelt. Sein ganzes Streben gilt der Umsatzsteigerung und dem beinharten Konkurrenzkampf, wo man Mitarbeiter als Gegner wahrnimmt. Wir haben besonders in diesem zu Ende gehenden Jahr bitter erfahren, wohin eine solche Haltung rücksichtloser Gewinnmaximierung führt. Banken, die Millionen in dubiosen Spekulationsgeschäften verspielt und damit eine Weltwirtschaftskrise ausgelöst haben.

 

Jesus Christus spricht: „Ich lebe und ihr sollt auch leben“.

 

Von welchem Leben spricht Jesus? Welches Leben meint er? Es ist ein verändertes und stärker reflektiertes Leben. Wer sich auf Jesus einlässt, beginnt zu fragen, nachzufragen. Was ist mir wichtig? Worauf kommt es an?

 

Der Zimmermannssohn aus Nazareth lebt ein sehr kurzes, aber ein sehr intensives Leben. Es ist ein Leben, das sich einmischt, das altgewohnte Ordnungen in Frage stellt. Es ist ein Leben in Armut, ein Leben bei denen, die am Rand stehen. Es ist ein Leben, das nicht allein um sich selber kreist, sondern das auch den Nächsten in den Blick nimmt. Ein Leben für andere, ein Leben, das heilsam wirkt.

 

Jesus lädt uns ein, zu hoffen, zu träumen, daran zu glauben, dass die Liebe verändert. So wird unser Leben Salz und Licht sein.

 

Erst Jandl schreibt:

 

das jahr soll gut sein

was heißt gut?

du weißt, was gut heißt

aber sein, was heißt sein?

du weißt, dass sein

vorübergehen heißt.

nein, sein heißt bleiben.

dann bleib doch noch ein wenig, bevor du gehst.

und was heißt soll?

dass es auch anders, als wir wollen, sein könnte.

schließlich das jahr

wir zählen in jahren

ist das nicht furchtbar?

dennoch:

das jahr soll gut sein.

 

Ich wünsche uns allen ein gutes Hinübergehen in ein neues Jahr.