Das Evangelische Wort

Sonntag, 24. 01. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

Von Pfr.in Mag.a Ingrid Tschank (Gols, Burgenland)

 

 

Armutsrisiken sind leider noch immer eine gesellschaftliche Realität. Daher hat die Europäische Union das Jahr 2010 zum Jahr gegen Armut und soziale Ausgrenzung erklärt. Es gibt zwar immer wieder Bemühungen, die Armut einzudämmen, aber trotz allem weist der 2008 erstellte Bericht der Armuts- und Reichtumskonferenz auf massive Ungleichheiten hin.

 

Drei Themenfelder sollen in diesem Jahr besonders in den Blick genommen und ins Bewusstsein der Menschen gerückt werden.

Erstens: Jedes Kind ist wichtig. Die Entwicklungschancen sollen verbessert werden.

Zweitens: Mit Arbeit Hilfsbedürftigkeit überwinden. Wie kann der Einstieg in die Arbeitswelt geschafft werden?

Drittens: Integration statt Ausgrenzung. Alle Menschen sollen selbstbestimmt an der Gesellschaft teilhaben können.

 

78 Millionen Menschen sind EU-weit von Armut bedroht. Umfragen zufolge haben EU-Bürger den Eindruck, dass in der eigenen Region etwa jeder Dritte in Armut lebt und jeder Zehnte unter extremer Armut leidet. In allen Mitgliedstaaten ist ein Teil der Bevölkerung von Ausgrenzung und Benachteiligung betroffen, oft haben diese Personen zudem nur eingeschränkten Zugang zu Leistungen der Grundversorgung. Die Europäische Kommission richtet sich deshalb an alle staatlichen, gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Bereiche. Mit verschiedenen Projekten soll ärmeren Menschen geholfen werden, ein Leben in Würde zu führen und voll in die Gesellschaft integriert zu werden. Die Verantwortung des Einzelnen beim Kampf gegen Armut und Ausschluss soll unterstützt werden. Das Jahr 2010 soll außerdem den Bürgern Mut machen, sich für einen stärkeren Zusammenhalt in der Gesellschaft einzusetzen. Schließlich zielt die Initiative auch darauf ab, Mitwirkende auf allen Regierungsebenen aufzufordern, kontinuierliche Anstrengungen in dieser Richtung zu unternehmen.

 

Für Christinnen und Christen gehört der Zugang zu ausreichender und gesunder Nahrung seit jeher zu den Grundlagen einer gerechten, friedlichen und zukunftsfähigen Welt. „Gib uns unser tägliches Brot“ lautet die Bitte, die Millionen von Menschen jeden Tag sprechen, wenn sie das Vaterunser beten. Neben Essen und Trinken braucht aber jeder Mensch ebenso Liebe, Geborgenheit, Anerkennung und die Möglichkeit, seine Fähigkeiten und Begabungen zu entfalten.

 

Um Kinder vor Armutsrisiken zu schützen und ihre soziale Integration zu sichern, ist eine Vielzahl von Maßnahmen erforderlich. Leider bestimmt nicht nur die Leistung, sondern sehr stark auch die familiäre Herkunft den Erfolg in der Schule. Studien belegen, dass Kinder aus ärmeren Familien auch später schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt haben. Wenn Kinder dann auch noch einen Migrationshintergrund vorweisen, verschlechtern sich die Chancen noch weiter.

 

Der Graben zwischen Reicheren und Ärmeren klafft immer stärker auseinander. Die derzeitige Wirtschaft- und Finanzkrise hat diesen Riss noch breiter und tiefer werden lassen. Das birgt die Gefahr von sozialen Spannungen in sich, durch die die gesamte Gesellschaft mehr und mehr entsolidarisiert wird. Armut und Ausgrenzung ist kein Schicksal, sondern eine Folge von zu wenig Gerechtigkeit. Jede und jeder einzelne, die Verantwortlichen in Politik und Wirtschaft, wie auch die Kirchen sind gefordert, die vorhandenen Hilfsangebote für mehr Menschen zugänglich zu machen und neue Möglichkeiten der Unterstützung, vor allem der Prävention zu finden. Von entscheidender Bedeutung ist es vor allem, das öffentliche Bewusstsein für die Risiken von Armut und Ausgrenzung zu stärken und die Wahrnehmung für ihre vielfältigen Ursachen und Auswirkungen zu schärfen. Auch wenn Aufrufe oftmals im Winde verhallen und viele Initiativen nicht immer den gewünschten Erfolg bringen, so gilt bei der Armutsbekämpfung, was der österreichische Lyriker Ernst Ferstl formuliert hat: „Nächstenliebe ist so schwierig, dass man nie aus der Übung kommen sollte.“