Das Evangelische Wort

Sonntag, 21. 02. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Elisabeth Kluge (Wien)

 

 

Heute feiern wir den 1. Sonntag in der Passionszeit. Wie immer, so habe ich mir auch für diese Passionszeit vorgenommen, auf Fleisch, Süßigkeiten und Alkohol zu verzichten. – Zumindest von Montag bis Samstag. Mal schauen, wie ich es in diesem Jahr durchhalte! Aber diese drei Sachen – Fleisch, Süßigkeiten und Alkohol – sie sind für mich schon wie ein bisschen „Alltag“ in der Fastenzeit.

 

Als ich mich mit der diesjährigen Passionszeit und meinem Fasten in dieser Zeit vor kurzem beschäftigt habe, da entdeckte ich in mir aber einen ganz anderen Wunsch. Ich habe festgestellt, dass ich mich eigentlich nach einem ganz anderen Fasten, nach einer ganz anderen Enthaltsamkeit sehne. Vielleicht sind „Fasten“ und „Enthaltsamkeit“ dafür nicht das richtige Wort. Aber irgendwie geht es doch auch in diese Richtung.

 

Tief in mir habe ich den Wunsch entdeckt nach einer Welt, wo ich nicht tagtäglich in den Nachrichten und anderswo mit neuen Horrormeldungen von furchtbaren Naturkatastrophen, massiver Steuerhinterziehung, politischen Intrigen, Bandenkriegen in Drogenmilieus, Missbrauchsverdächtigungen in kirchlichen Kreisen und sonstigen Scheußlichkeiten konfrontiert bin. Kann ich mich dem ganzen eigentlich entziehen? Gibt es ein „Fasten von den Scheußlichkeiten dieser Welt“? Kann ich mich dessen überhaupt enthalten? – Vielleicht, wenn ich keine Nachrichten mehr schaue, keine Zeitung mehr lese und mich irgendwo in eine Kommune zurückziehe? Gibt es überhaupt irgendwo in dieser Welt einen Platz, wo ich all diesen Scheußlichkeiten nicht ausgesetzt und nicht mehr mit ihnen konfrontiert wäre?

 

Ja, ich sehne mich nach einer Welt, in der nicht nur im Großen auf den Ebenen von Staaten, in der Politik, im Welthandel und anderswo, sondern auch ganz im Kleinen in meinem unmittelbaren Umfeld zwischen Menschen Frieden, Ruhe, Respekt, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Akzeptanz und Gerechtigkeit herrschen. Aber diese Vorstellung kommt mir angesichts der Realität in unserer Welt und auch in meinem unmittelbaren Lebensumfeld wie ein romantisches und kitschiges Idyll vor – wie eine Welt, gesehen durch eine rosarote Brille. Man darf das nicht falsch verstehen – ich möchte nicht vor Problemen davon laufen. Nein, ich wünsche mir lediglich eine bessere und gerechtere Welt. Ist das so viel verlangt?

 

Und doch verzweifle ich nicht angesichts dessen, was ich tagtäglich sehe, höre und selbst erlebe. Ich weiß, dass ich vor all den Problemen im Kleinen um mich und im Großen in unserer Welt nicht davon laufen kann. Nirgendwo in der Welt gibt es einen Platz, an dem nur Friede, Freude, Eierkuchen herrschen. Selbst wenn ich ihn mein Leben lang suchen würde – ich werde diesen Platz nicht finden. Aber das, was ich finden kann und bereits gefunden habe, ist das Ablegen all dieser Sorgen und Frustration in die Hand Gottes – in Form eines Gebetes. Am vergangenen Sonntag haben wir im Gottesdienst mit den Konfirmandinnen und Konfirmanden von Wolfgang Tost das Lied „Mach aus Sorgen ein Gebet“ gehört. Dabei habe ich mir gedacht – ja, das ist es eigentlich, worauf es ankommt! Das ist es, was ich tun kann!

 

Diese Möglichkeit, all das, was mich beschäftigt und belastet, bei Gott ablegen zu können und daraufhin vertrauen zu dürfen, dass Gott es gut machen wird – das empfinde ich als eine der wunderbarsten Seiten meines christlichen Glaubens. Das Ablegen und vertrauen Dürfen entlastet mich von den Dingen, die ich nicht in der Hand habe, die ich einfach nicht ändern kann und denen ich oft hilflos ausgesetzt bin. Und dieser christliche Glaube gibt mir auch die Kraft und den Mut, im Kleinen in meinem Leben und in meiner Umgebung zu versuchen, ein Stück weit an einer besseren Welt mitzuarbeiten. An einer Welt, wo Menschen sich eben mit Frieden, Respekt, Toleranz, Hilfsbereitschaft, Akzeptanz und Gerechtigkeit begegnen. Das wünsche ich mir – gerade auch in dieser Fastenzeit!