Das Evangelische Wort

Sonntag, 28. 02. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Dr. Christoph Weist (Wien)

 

 

Es kam, wie es kommen musste. In einem Diskussionsabend hatten sich kürzlich einige in Wien ansässige Kirchen und Religionsgemeinschaften vorgestellt, darunter Vertreter des Islam. Man hatte Gemeinsamkeiten betont und den Willen zu Toleranz und Frieden in der Welt bekräftigt. Prompt meldete sich aus dem Publikum ein Herr mit dem aufgeregten Hinweis, die „Realität“ sei doch, dass derzeit in der Welt eine Christenverfolgung wie noch nie zuvor im Gange sei und der Islam daran schuld sei. Dazu sollte einmal etwas gesagt werden. Gemeint war: Man sollte die Islam-Vertreter eigentlich gar nicht reden lassen.

 

Da war es also wieder, das beliebte, immer wieder gehörte Argument: Wie du mir - so ich dir. Was in euren Ländern verboten ist, warum soll das bei uns erlaubt sein? Solange man bei euch keine Kirchen errichten darf, darf es auch hier keine Gebetshäuser geben, usw. Ein unseliges Argument. Unselig deshalb, weil es nicht stimmt und deshalb für Menschen viel mehr Probleme schafft, als es zu lösen vorgibt.

 

Klar ist zunächst: Wie es Christinnen und Christen nicht nur in islamischen Ländern geht, kann Christen in anderen Ländern nicht gleichgültig sein. Wenn sie Klagen hören,  haben Christinnen und Christen immer wieder kritisch und in Solidarität mit ihren Glaubensgeschwistern auf die Missstände aufmerksam zu machen. Und sie haben laut und deutlich Verbesserungen zu verlangen. Anlässe dafür gibt es Leider Gottes. Aber auch das muss gesagt werden: Horrorziffern sollte man skeptisch begegnen und ihre Herkunft prüfen. Nicht jede laizistische Gesetzgebung bedeutet gleich „Christenverfolgung“.

 

Ich denke aber, ein anderer Grundsatz ist mindestens ebenso wichtig: Was immer an Unrecht in anderen Ländern geschieht, es kann nicht mit „minderem“ Recht oder gar mit blankem Unrecht in unserem Land vergolten werden. Wer so denkt, setzt sich selbst ins Unrecht und verwirkt jede Möglichkeit, andere Verhältnisse zu kritisieren. Mehr noch: Niemand hier will ja diese Verhältnisse im eigenen Land. Mir scheint, würden alle  Forderungen forscher Islambekämpfer bei uns realisiert, hätte Österreich einen Terrorstaat, in dem sich niemand mehr wohlfühlen könnte: schikanöse Kleidervorschriften - warum nur gegen die so genannte „Burka“? -, Bauverbote – warum nur gegen Minarette? -, Versammlungsverbote – warum nur zur Verhinderung fremdsprachiger Gebete?- und vieles mehr. Oder sehnt sich etwa doch der eine oder andere fromme Christ insgeheim nach dergleichen? Ich hoffe es nicht.

 

Die Vielzahl demokratischer Rechte, die wir täglich wie selbstverständlich beanspruchen, und auf die auch unsere Religionsfreiheit aufbaut, ist ein äußerst wertvoller Schatz. In einer langen Geschichte ist er mühsam und unter großen Opfern errungen worden. Mag sein, dass das in anderen Ländern – nicht nur in islamischen -  anders ist. Das kann aber niemals als Grund dafür herhalten, solche Verhältnisse gleichsam „seitenverkehrt“ bei uns einzuführen. Denn der Schatz - der übrigens von christlichen Traditionen gespeist ist - ist nicht teilbar. In seinen Genuss müssen alle kommen, die hier leben. Und er darf niemals aus panischer Furcht vor dem Fremden, dem Anderen, dem vermeintlich oder wirklich Bedrohlichen aufs Spiel gesetzt werden.

 

Vielleicht sagen Sie jetzt, liebe Hörerin, lieber Hörer: Weiß er denn nicht, dass er damit dem Untergang seines eigenen Glaubens Tür und Tor öffnet? Die fremde Religion wird die seine überrollen. Ich sage: Ich habe diese Angst nicht. Ich traue meinem christlichen Glauben zu, dass er stark ist. So stark, dass er kein  primitives „Wie du mir - so ich dir“ benötigt. Er antwortet ohne Gewalt nur mit dem Wort Gottes. Und das ist, so sagt es zumindest meine Bibel, „schärfer als jedes zweischneidige Schwert“ (Hebr 4,12). Es ist das Wort der Liebe.