Das Evangelische Wort

Sonntag, 04. 04. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Superintendentin Luise Müller (Innsbruck)

 

 

1 Und als der Sabbat vergangen war, kauften Maria von Magdala und Maria, die Mutter des Jakobus, und Salome wohlriechende Öle, um hinzugehen und ihn zu salben.

2 Und sie kamen zum Grab am ersten Tag der Woche, sehr früh, als die Sonne aufging.

3 Und sie sprachen untereinander: Wer wälzt uns den Stein von des Grabes Tür?

 

Als Kind hatte ich genaue Vorstellungen vom Grab Jesu. In meinem Heimatort gibt es nämlich am Rande der Stadt Felsenkeller, in das Erdreich und den Felsen gehauene Hohlräume, denen ein kurzer Gang vorgelagert war. Viele Familien besaßen so einen Keller, in dem man Kartoffeln lagerte.

 

In so einem Keller, der nur leicht abschüssig in die Erde hineinging, hatte man Jesus begraben, davon war ich überzeugt. Da war gut Platz für einen Leichnam, der Raum war schön kühl und Jesu sterbliche Überreste waren gut geschützt. Noch dazu mit einem großen Stein vor der Tür. Aber eines war klar: zwei Frauen konnten einen Stein dieser Größe nicht wegrollen. Das habe ich schon als Kind begriffen. Was nun?

 

An dieser Stelle droht die Geschichte das erste Mal zu scheitern. Wer kann den Stein entfernen?  Aber zum Glück für die Frauen ist der Stein weg. Der Eingang zum Grab ist offen. Und so können sie hinein, in das offene Grab um ihren toten Freund zu salben. Um seinen Körper vor der Zersetzung zu bewahren, sie zumindest noch ein wenig aufzuhalten, dem Verfall so wenig Raum wie möglich zu geben.

 

Ganz ähnlich gehen wir mit unserem Leben um. Wir lassen Vorsorgeuntersuchungen über uns ergehen, schmieren Cremes, treiben Sport, verändern chirurgisch. Den Verfall aufhalten. Das Leben verlängern. Forever young. Der unzerstörbare Mensch – gesichert durch Menschenhand. Aber das ist eine Illusion, damals wie heute, das ist nicht machbar. Weder der gesalbte Leichnam noch das geliftete Kinn verhindern den Verfall. Menschliches Leben ist endlich, geht unaufhaltsam auf den Tod zu, ganz egal, wie viel wir hineinzupacken versuchen, ganz egal, wie sehr wir uns gegen das Auslöschen abzusichern versuchen, ganz egal wie viel Geld wir dafür ausgeben.

 

Der Stein vor Jesu Grab ist also weg. Doch der Erleichterung darüber folgt ein Schock: Nicht nur der Stein, auch der tote Jesus ist nicht mehr da.

 

Hier ist die Geschichte zum zweiten Mal am Kippen. Das Objekt ihrer Wünsche, ihrer Sorge steht ihnen nicht mehr zur Verfügung. Der Schock ist so groß, dass sie gar nicht hören, geschweige denn verstehen, was der junge Mann, der im Grab auf sie wartet, zu ihnen sagt: Jesus lebt. Er ist auferstanden – so lautet seine Botschaft.

 

Die Frauen laufen erst mal weg. Das ist zuviel. Alle Regeln, alle Traditionen, alle Rituale sind über den Haufen geworfen. Alles, was sie hätten tun können zählt nicht mehr. Jetzt ist das absolut Neue dran.

 

Alles was wir scheinbar tun können um unser Leben zu erhalten, zählt nicht mehr.

 

Das Unbegreifliche ist Wirklichkeit geworden. Weder Alter, noch Krankheit, noch Mord können unser Leben fortan zerstören. Wenn Gott will, dann lässt er leben. Wenn Gott will, dann setzt sich unzerstörbares Leben durch.

 

Ostern feiern heißt dieses Leben zu feiern. Ein neues Leben, das wir nicht in der Hand haben, das uns zufliegt, trotz Krankheit und Doppelkinn, trotz Burnout und Arbeitslosigkeit, trotz Tod und Verwesung. Ganz anders als erwartet, nicht in Gräbern konservierbar, uns entzogen, und doch so machtvoll da. Leben in Ewigkeit geschenkt. Auferstehung nennt es die Bibel.