Das Evangelische Wort

Sonntag, 11. 04. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Mag. Lutz Lehmann, Klagenfurt-Johanneskirche

 

 

Gelobt sei Gott, der Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi von den Toten. (1. Petrus 1, 3)

 

Dieser Text aus dem ersten Petrusbrief ist eine Art Überschrift für den ersten Sonntag nach Ostern, der im Kirchenkalender "Quasimodogeniti" heißt. "Quasimodo geniti" bedeutet "wie die neugeborenen Kinder". Als neugeborene Kinder sind wir alle gleich hilflos, alle gleich verletzlich, alle gleich abhängig davon, dass uns jemand das zukommen lässt, was wir zum Leben brauchen. Als neugeborene Kinder sind wir unbeschriebene Blätter: Wir haben noch nichts geleistet und uns nichts zuschulden kommen lassen. Kein Grund für Lob oder Tadel. Noch keine Auszeichnungen zu vergeben, noch keine Strafe in Aussicht und kein Anlass für gutes oder schlechtes Gewissen. Blütenweiß, "unschuldig" quasi, wie man es aber leider nicht lange bleibt, weil die Welt nun einmal so ist, wie sie ist.

 

Da kommt übrigens auch der Name "Weißer Sonntag" im Kirchenkalender her: Ganz früher, als man die Menschen als Erwachsene taufte und alle gemeinsam am Ostersonntag, da bekamen sie zur Taufe ein weißes Kleid - und das durften sie dann noch einmal anziehen, eben am Sonntag nach Ostern, weil man meinte, dass sie es doch schaffen müssten, zumindest eine Woche ohne gröberen Patzer durchzukommen - mit weißer Weste sozusagen. Taufe als Vergebung der Sünden, als neue Geburt, Wiedergeburt, Neustart - und eine Woche drauf immer noch Quasimodogeniti - wie ein unschuldiges Kind.

 

Unschuldig sein - das billigen wir den Kindern bis heute in unserer Gesellschaft zu. Man kann sie nicht für alles verantwortlich machen, was sie anstellen - es sind ja noch Kinder. Man kann sie nicht genauso hart bestrafen wie Erwachsene - und inzwischen ist man sogar draufgekommen, dass auch so Strafen wie die altbewährte "gsunde Watschn" nicht wirklich zielführend sind.

 

Die Erkenntnis, dass Kinder Schutz brauchen, ist noch gar nicht so alt und noch lange nicht allgemein: Es ist noch keine Generation her, dass die körperliche Züchtigung aus den Schulen verschwunden ist und über vieles, was bis heute in den Familien geschieht, wird einfach nicht geredet.

 

"Quasimodogeniti" - wenn Sie heute tatsächlich als Kind wiedergeboren werden würden: Was würden Sie sich wünschen, was würden Sie brauchen, um aus einem unschuldigen Kind zu einem reifen, erwachsenen Menschen werden zu können? Schutzmaßnahmen, die Sie vor Gewalt, Missbrauch und seelischem Leiden bewahren? Nichts ist selbstverständlicher! Sanktionen für Täter? Keine Frage!

 

Ich für meine Person würde mir aber noch viel mehr als das wünschen, wenn ich noch einmal Kind sein würde: Förderung meiner Fähigkeiten und Begabungen durch Eltern, die Zeit für mich haben, durch Kindergärten mit kleinen Gruppen und in Schulen mit Lehrerinnen und Lehrern, die mich nicht nur auf Leistung trimmen müssen, sondern in Klassen mit weniger Schülern eine Chance haben, jedes einzelne Kind als Person wahrzunehmen und wertzuschätzen. Mehr Spielplätze als Parkgaragen in den Städten würde ich mir wünschen solange ich noch klein bin. Und später, als Jugendlicher fände ich es großartig, nicht nur ständig als Konsument umworben zu werden, sondern ernsthaft Verantwortung übertragen zu bekommen in Bereichen, die mich betreffen.

 

"Quasimodogeniti" - Der Name dieses Sonntags könnte eine Aufforderung dazu sein, das was unsere Kinder betrifft, nicht immer als Erwachsene von oben herab zu betrachten, sondern uns "wie die neugeborenen Kinder" die Welt aus ihrer Perspektive anzuschauen. Es könnte eine Aufforderung dazu sein, als Erwachsene mit aller Anstrengung dafür zu sorgen, dass diese Welt für unsere Kinder nicht nur sicherer wird sondern hilfreicher, fördernder, ermutigender.

 

Der Name dieses Sonntages könnte ein Aufruf dazu sein, dass wir Erwachsenen uns zugunsten der Kinder kräftiger einmischen in unserer Gesellschaft. Ein Aufruf, der im Glauben seinen Grund und seine Zuversicht hat. Denn so etwas ist wohl gemeint, wenn Petrus sagt: "Durch die Auferstehung Jesu hat uns Gott nach seiner großen Barmherzigkeit wiedergeboren zu einer lebendigen Hoffnung."