Das Evangelische Wort

Sonntag, 02. 05. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrerin Mag. Ingrid Bachler

 

 

Maria Steininger vom Braitlachnergut wurde erwischt. Lange hatte man es schon vermutet, nun war sie aufgeflogen. Ein schweres Vergehen konnte ihr nachgewiesen werden. Sechs verbotene Bücher waren in ihrem Besitz. Nach eindringlicher Befragung kam sie in das Konversionshaus Kremsmünster, wo sie aussagen musste.  In den Akten heißt es:

 

 „Sie bekennt, dass eines dieser Bücher von ihrer verstorbenen Verwandten und zwei von einer bereits ausgewanderten Frau seien,  zwei weitere von einem verstorbenen, armen Buben und eines, von dem sie selbst nicht mehr wisse, woher sie es bekommen habe. Sie habe darin gelesen und gebetet, weil  der Inhalt  davon zur Seligkeit nutzbar gehalten habe und die Bücher darum dem Pfarrer nicht gezeigt, weil sie wohl wusste, dass er sie ihr nicht mehr zurückgeben würde.“

 

Maria Steininger bekannte sich auch dazu, dass es ihr egal sei, ob sie für eine Lutheranerin gehalten würde, weil sie nur zwei Sakramente für wichtig halte; wenn sie nur in den Himmel komme und dass sie so, wie sie ist, bleiben wolle.

 

Diese Aussagen stammen aus den siebziger Jahren des 18. Jahrhunderts. Einer Zeit, in der es verboten war, evangelische Gebet- und Gesangbücher zu besitzen. Die Reformation breitete sich im 16. Jahrhundert in Oberösterreich rasch aus. In der Gegenreformation  kam es nach einer Zeit der Begeisterung für den evangelischen Glauben nun zur Verfolgung und Vertreibung der Evangelischen. Der Geheimprotestantismus war die Folge. 

 

Ein berührendes Schicksal hatte auch die alte Alexander-Bäuerin vom Rathmeirgut, die von ihren Kindern weg vertrieben wurde, weil sie, wie es heißt, „in der Fastenzeit eine Leberknödelsuppe gekocht habe und nicht an das Fegefeuer glaube“. Auch das ist eine von vielen Vertreibungsgeschichten aus der Zeit der Gegenreformation.

 

Bei ihrer heimlichen Rückkehr wagte sie ihre Kinder nur hinter den Vorhängen des Himmelbettes zu beobachten, damit sie nicht die Freude über den Besuch der Mutter unabsichtlich ausplauderten.

 

Die oberösterreichische Landesausstellung Renaissance und Reformation auf Schloss Parz in Grieskirchen beschäftigt sich mit der Geschichte der Evangelischen in Oberösterreich. Man spürt die Aufbruchstimmung und  Entdeckerfreudigkeit der Renaissancezeit, die von evangelischen Persönlichkeiten getragen wurde, genauso wie die spätere Last der Unterdrückung und Vertreibung. Das evangelische Museum in Rutzenmoos zeigt in diesem Zusammenhang besondere Grabgedenksteine unter dem Titel: Fröhliche Auferstehung und ein eigener Themenweg mit 10 Stationen wird heute  in der Pfarrgemeinde Wallern eröffnet. Er zeigt die bewegte Geschichte der Evangelischen und ihre Verbindung nach Ortenburg in Deutschland. Die vertriebenen Frauen und Männer haben für ihren Glauben und die freie Religionsausübung viel auf sich genommen. Kraft in aller Unsicherheit gaben ihnen die Lieder aus den Gesangbüchern. Zum Beispiel das Lied von Paul Gerhard. „Befiehl du deine Wege und was dein Herze kränkt, der aller treusten Pflege, des der den Himmel lenkt. Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege, Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.“