Das Evangelische Wort

Sonntag, 23. 05. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Oberkirchenrat Karl Schiefermair

 

 

Schulden, Schulden, Steuern, Steuern ... in der vergangenen Woche war wenig von anderem die Rede.

 

200 Milliarden Schulden hat der Staat, dagegen werden Sparpakete geschnürt, Massensteuern errechnet, aber auch Finanztransaktions- und Vermögenssteuern angedacht. Nicht-Regierungsorganisationen machen sich alternative Gedanken dazu – der Rest der Bevölkerung macht sich seine eigenen Gedanken über das Ersparte, das Minus am Konto, die Rückzahlung der persönlichen Kredite.

 

Geld – das man entweder hat oder eben nicht hat – durchzieht das Denken und mit diesem Denken kommt die Angst. Angst, nicht mehr mitzukönnen, Angst, dass der Wohlstand flöten geht, Angst vor sozialen Unruhen, Angst vor der Zukunft.

 

Den Menschen wachsen die möglichen Probleme über den Kopf. Zusätzlich erlebt man, dass die politischen Weichen nicht neu gestellt werden; an den Stellwerken arbeiten die gleichen Verantwortlichen, die diese schwerste Wirtschaftskrise seit langem mitverantworteten.

 

Auf dem Ökumenischen Kirchentag in München, der kürzlich zu Ende gegangen ist, waren oftmals Kamele zu sehen. Kamele aus Olivenholz mit Anstecknadel, gefertigt in Bethlehem. Menschen, die sich dieses Kamel ansteckten, wollten an das Jesuswort erinnern: „Es ist leichter, dass ein Kamel durch ein Nadelöhr geht, als dass ein Reicher ins Reich Gottes kommt.“

 

Einseitige Verteufelung des Reichtums? Nein, die Initiative „Fair teilen statt sozial spalten“, die das Kamel erdacht hat, will klar unterscheiden: Reichtum, der zum Wohlstand aller beiträgt und geteilt wird, ist ein Segen; Reichtum, der nicht geteilt wird, durch unfairen Handel und durch Rechtsbruch erworben wurde, ist ein Fluch. „So bedeutet uns das Kamel nicht nur ein Zeichen der Mahnung“, schreiben die Initiatoren auf dem Kirchentag, sondern auch ein „Symbol der Hoffnung auf ein Leben in der biblischen Vision des Teilens.“

 

Christen in aller Welt feiern heute das Pfingstfest – es ist der Geburtstag der Kirche, sagt man. Eine neue Gemeinschaft war entstanden, die auf dem Grundsatz des Teilens aufbaute. „Fair teilen statt sozial spalten“ klang für die erste Gemeinde in Jerusalem so: „Sie blieben aber beständig in der Lehre der Apostel und in der Gemeinschaft und im Brotbrechen und im Gebet“. (Apg 2, 42). Sie waren „beieinander und hatten alle Dinge gemeinsam. Sie verkauften Güter und Habe und teilten sie aus unter alle, je nachdem es einer nötig hatte.“ (vv 44f)

 

Nach heutiger Sicht ist hier ein Idealbild gezeichnet, die Vision einer kirchlichen Gemeinschaft, die auf der biblischen Verheißung gründet und eine traumhafte Gemeinschaft lebt. Aber diese Vision lebt – heute weltweit und nicht beschränkt auf eine kleine Gruppe in Jerusalem.

 

Am Kirchentag war es die Kamel-Bewegung, die aufzeigt, wie der weltweite Reichtum gerechter verteilt werden muss und wie wir mit weniger Naturzerstörung besser leben können. In meiner Umgebung gibt es auch Gruppen und Initiativen, die dieses und ähnliches fordern. Auch in ihrer Umgebung wird es solche geben.

 

Pfingsten lehrt uns: Wenn es nicht mehr so weiter gehen soll wie immer, wenn Weichen in die Zukunft neu gestellt werden sollen, braucht es nicht nur einen neuen Geist, sondern auch neue Gemeinschaft, die teilen lehrt und niemanden ausschließt. Eine Gemeinschaft gegen die Angst und für einen Neubeginn. Eine Gemeinschaft für ein gutes Leben für alle. Dazu muss aber einiges verändert werden – nicht zuletzt wir selbst. Das schulden wir uns und dieser Welt.