Das Evangelische Wort

Sonntag, 30. 05. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfr. Mag. Kaarlo Schörkl, Evangelische Pfarrgemeinde Wallern-Eferding

 

 

In Zeiten wie diesen, in denen die Benzinpreise so hoch sind wie nie zuvor, wird das Fahren mit öffentlichen Verkehrsmitteln eine immer attraktivere Alternative. Eine Bahnfahrt etwa bietet viele Vorteile: Es gibt keinen Stau, ein entspanntes Zurücklehnen ist genauso möglich, wie ein Buch zu lesen oder versäumten Schlaf nachzuholen. Aber, keine Vorteile ohne Nachteile. So muss erst einmal der Weg von und zum Bahnhof zurückgelegt werden, Fahrpläne wollen genau studiert werden, oder man muss sich mit anderen Fahrgästen arrangieren. Und so kann es einem blühen, dass man dann und wann, etwa unfreiwilliger Zuhörer eines Handytelefonats wird. So geschehen in einem Zugabteil: Gegenüber eine Frau mittleren Alters, vertieft in ein Gespräch. Der Versuch, nicht mithören zu wollen, scheitert. Verzweifelt wiederholt sie Sätze wie: „Ich muss endlich damit aufhören! Hätte ich doch nie damit angefangen! Warum fällt mir das Aufhören so schwer!“ Bei der nächsten Haltestelle springt die Frau Hals über Kopf aus dem Zug. Zurück bleibe ich, und jetzt bin ich es, der nicht mehr aufhören kann, nämlich, darüber nachzudenken, womit die gute Frau aufhören wollte.

 

In einer freien Minute suche ich im Internet nach dem Wort „Aufhören“ und bin überrascht, wie viele Einträge es zu dieser Thematik gibt. Vor allem drei Themen tauchen immer wieder auf – scheinbar so etwas wie die österreichische Version der Dreifaltigkeit. Menschen wollen aufhören mit dem zu vielen Essen, dem Trinken oder Rauchen. Seitenweise Tipps und Tricks, Ratschläge und Methoden, wie man am besten aufhört.

 

Und wer schon einmal versucht hat beispielsweise mit dem Rauchen aufzuhören, der weiß, was gemeint ist, wenn der Schriftsteller Mark Twain ironisch sagt: „Das Rauchen aufzuhören, zählt zu den einfachsten Dingen überhaupt – ich muss es wissen, denn ich habe es tausendmal getan.“

 

Warum es uns so schwer fällt, aufzuhören, darauf mag es viele verschiedene Antworten geben, eine davon trifft auf jeden Fall zu: Das Aufhören fällt uns deshalb so schwer, weil damit Hand in Hand in uns ein Leere entsteht. Erzählt neulich eine Schülerin: „Seit ich mit dem Rauchen aufgehört habe, weiß ich nicht mehr, was ich tun soll, wenn ich nervös oder gelangweilt bin oder wenn ich gut drauf und mit Freunden unterwegs bin.“ Es ist eine Sache, ein Verhalten in meinem Leben zu ändern, aber es ist etwas ganz anderes, diese neue gähnende Leere zu füllen. Eine Leere, in der sich letztlich das tiefe Bedürfnis nach einem erfüllten Leben verbirgt.

 

Und damit steht eine noch viel wesentlichere Frage im Raum: Worauf hören wir eigentlich, wenn wir aufhören?

 

Welcher Stimme schenken wir Gehör, wenn es um uns ruhig wird? Gelingt es uns, jene Stimmen auszublenden, die von klein an auf uns einreden und uns gefangen nehmen: Du musst das haben und der sein, um beachtet zu werden; du musst so aussehen und so handeln, um geliebt zu werden; du musst dieses denken und jenes reden, um angenommen zu sein? Schaffen wir es, uns wieder auf die eigene innere Stimme und auf die leise Stimme Gottes einzulassen? Darin liegt der tiefere Sinn des Sonntags: Einmal in der Woche aufhören und wieder neu auf das Wesentliche im Leben hören. Aufhören, und mit den ureigenen Lebensfragen in Berührung kommen. Aufhören und mit mir selber und mit Gott in Beziehung treten. Kinder können mit einer Leichtigkeit auch im größten Stimmengewirr die vertraute Stimme ihrer Mutter herausfiltern. Menschen, die im Glauben tief verwurzelt sind, haben es gelernt, auch in den widrigsten Lebensumständen die Stimme ihres himmlischen Vaters zu hören. Jene Stimme, die uns in jeder Sekunde unseres Lebens zuspricht: „Siehe, ich stehe vor der Tür und klopfe an. Wer meine Stimme hört und die Tür aufmacht, zu dem werde ich hineingehen und das Abendmahl mit ihm halten und er mit mir.“

Aufhören und zuhören, sich aufmachen und sich auf andere einlassen, empfangen und teilen, sind wesentliche Stationen auf dem Weg zu einem erfüllten Leben.