Das Evangelische Wort

Sonntag, 13. 06. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfr. Wolfgang Olschbaur, Bregenz              

 

  

Alle reden vom Fußball. Auch die, die gar nichts davon verstehen. Dazu gehöre auch ich. Aber alle vier Jahre muss ich mich damit beschäftigen. Allein schon wegen meiner Schülerinnen und Schüler im Religionsunterricht. Die reden derzeit von nichts anderem. Und ich möchte ja "am Ball" bleiben.

 

Wer wird Weltmeister? Das ist die Frage. Meine Schülerinnen und Schüler sind sich einig: Spanien! Vielleicht auch Brasilien. Nur einer sagt: Die Elfenbeinküste - und lacht dabei verschmitzt. Sein Vater kommt aus Ghana, und das sieht man seinem Sohn auch an.

 

Die Spanier sind Favoriten, nicht nur, weil sie in Schruns/Tschagguns trainiert haben. Das sei der "absolute Wahnsinn für die Region", sagt der örtliche Tourismusdirektor. Das Wetter sei hier auch besser ist als in Spanien. - Na dann wollen wir von ihnen auch etwas abbekommen!

 

Mit einem Fest der Superlative hat die Weltmeisterschaft am Freitag begonnen. Das erste Mal in Afrika! In Südafrika. Ein Tanzen und ein Springen war das! Man will es der ganzen Welt zeigen! Die Apartheid ist überwunden. Seit Tutu und Mandela gelten dort auch farbige Menschen etwas. Man hatte es dem Land gar nicht zugetraut, einen solchen Mega-Event auf die Beine zu stellen.

 

Einige Kirchen in Afrika haben gewarnt vor den geplanten Zwangsumsiedlungen wegen der Stadionbauten und vor Menschenhandel, haben den internationalen Baufirmen und den potenten Tourismuskonzernen die gelbe Karte gezeigt. Aber schließlich wollten sie keine Spielverderber sein und hielten sich zurück mit ihrer Kritik und ihrem Einsatz für die Verlierer dieser WM.

 

Der Anpfiff zum "Fair Play" hat stattgefunden. Und die Südafrikaner sind stolz auf ihr Land, und dass alle Welt jetzt bei ihnen zu Hause ist, jedenfalls bis zum Finale am 11. Juli. Gezeigt werden soll vor allem die "Leichtigkeit des Spieles". Fußball ist aber auch Macht und Kommerz. Und so kann aus der "schönsten Nebensache der Welt" schnell auch die "verbissenste Hauptsache" werden.

 

Ich frage im Unterricht: Und was hat das alles mit Religion zu tun? Viel, sagen sie mir. Die Freundschaft, die Solidarität, der Entwurf von einem besseren Menschsein, die Fähigkeit, vergessen zu lassen und die aufkommende Leidenschaft. Fußball und Religion haben viel miteinander zu tun. Alle Tragik der Welt, Trauer, Freude, Glück und Wut, - das alles ereignet sich in den neunzig Minuten zwischen An- und Abpfiff eines Spieles. Und es gelten Regeln. Fouls werden bestraft. - Fußball ist wie Religion. Und das Stadion ist ein Tempel auf heiligem Rasen.

 

Das geht zu weit, sage ich. Aber dann erzählt mir der Schüler, der für die Elfenbeinküste die Daumen drückt, eine Geschichte von Didier Drogba, dem Stürmer. Fußball hat ihn vor dem Elend in seiner Heimat bewahrt, vor Krieg und Drogen. Heute ist er der beste Fußballer Afrikas. Derzeit trainiert er den FC Chelsea in London. Am Ende des Spiels im Cupfinale zur WM hätte er im Jubel seiner Fans baden können. Aber Drogba läuft hinüber auf die andere Seite des Feldes, auf Kevin Boateng zu, der hat gerade Ballack, den Kapitän der Deutschen, schwer getreten und vergibt zudem noch einen Elfmeter. Jetzt schleicht er wie ein geprügelter Hund über den Rasen. Drogba legt seinen Arm um ihn und streicht ihm übers Haar. Und sie gehen ein paar Schritte gemeinsam. Er war wohl der einzige von den Gewinnern, der in diesem Augenblick an den Verlierer gedacht hat.