Das Evangelische Wort

Sonntag, 18. 07. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

„Über die wahren Siege“

von OKR Hannelore Reiner (Wien)

 

 

Der Schlusspfiff ist vor einer Woche verklungen; der neue Fußfallweltmeister gekürt. Heute ist die Weltmeisterschaft in Südafrika bereits wieder Geschichte.

 

Während  unzählige Menschen rund um den Globus die spannenden Spiele via Fernsehen verfolgten, besuchte eine Gruppe evangelischer Frauen aus Österreich die schottische Insel IONA, genauer, die dortige IONA-Gemeinschaft. Eine uralte Abbey, einst Benediktinerkloster, und nebenan die Ruinen eines ebenfalls im Mittelalter florierenden Frauenklosters  prägen das Ortsbild.

 

Die schottische Reformation hat beide Klöster zerstört. Jahrhunderte zuvor hatten bereits die Wikinger mit den Mönchen von Iona in einer Eroberungsschlacht kurzen Prozess gemacht. Der „Beach of the monks“ erinnert noch heute an deren Märtyrertod.

 

Die Geschichte dieser kleinen schottischen Insel mit ihrer wunderbar herben Schönheit gleicht der Geschichte des riesigen Austragungslandes der diesjährigen Fußballweltmeisterschaft Süd-Afrika – beide wurden mit Blut geschrieben. Immer wieder ging es um Sieger und Besiegte, im Grunde bis zum heutigen Tag.

 

Aber sowohl Iona wie auch Süd-Afrika kennen gottlob auch andere Geschichten, Geschichten von Siegen, wo es keine Besiegten mehr gibt, sondern das Wohl und ein glückliches Leben aller im Mittelpunkt stehen.

 

1938, in einer Zeit großer Arbeitslosigkeit und Armut in Schottland, startete der schottische Pfarrer Mac Load ein spannendes Experiment. Er wollte die seit so langer Zeit zerstörte und unbenutzbare kreuzförmige Abteikirche wieder zu einem geistlichen Mittelpunkt aufbauen. Dies aber in besonderer, außergewöhnlicher Weise: Die Hälfte der Männer, die sich an das gewaltige Werk machen sollten, waren Arbeitslose aus Schottland. Die andere Hälfte waren angehende Theologen und Pfarrer. Die einen hatten das Know how  und die Muskeln zum Steine beschlagen, Gerüste erstellen und erklimmen und zum Aufbau der Mauern; die anderen übernahmen bauliche Hilfsdienste, aber sorgten sich um das spirituelle Leben aller mit täglichen Gebeten und Gottesdiensten. Das Ergebnis lässt sich sehen: Die Abteikirche atmet Geschichte, auch die blutige. Sie holt aber auch das 21. Jahrhundert in den gottesdienstlichen Raum in den Gebeten und dem Musikstil, der dort gepflegt wird. Gäste kommen von allen Erdteilen, werden eingeladen mit zu leben und kleine Dienste zu übernehmen und sich auf ein einfaches Leben einzustellen.

 

Keiner, so wage ich zu behaupten, verlässt die Insel ohne die innerliche Frage: Was ist das Besondere an Iona, das hier christliches, ökumenisches Zusammenleben so glaubwürdig gelingen lässt?

 

Sicherlich sind eine mögliche Antwort jene Männer und Frauen voller Visionen und Tatkraft, die es verstehen, andere mitzunehmen und zu begeistern und selbst leben, was sie verkünden.

 

In Süd-Afrika war es Nelson Mandela, der der schwarzen Bevölkerung den Glauben an eine gute Zukunft im eigenen Land wieder zurückgegeben hat.

 

Der südafrikanische Bischof Desmond Tuto, Ehrendoktor der Universität Wien, war es, der die sog. Wahrheitskommissionen eingerichtet hat, um die ganze Geschichte der Ungerechtigkeit und der Unterdrückung von Angesicht zu Angesicht zu bearbeiten und einen Schritt zur Versöhnung zu erwirken. Dass gerade Süd-Afrika die Austragung der Fußballweltmeisterschaft in Frieden zu Ende bringen konnte, spricht auch für die Fortschritte, die das Land in Richtung Versöhnung und neuem guten Miteinander der verschiedenen ethnischen Gruppen gesetzt hat.

 

Das aber scheint mir der  wahre Sieg  im Rückblick auf das „Spiel der Spiele“ zu sein: Alle Menschen haben ihre Chancen und sind aufgefordert, ihre jeweiligen Gaben einzubringen im fairen Spiel der Kräfte. Manche bekennen es freimütig, andere ahnen es vielleicht nur, dass wir alle Geschöpfe Gottes sind und einander brauchen, so wie uns die Bibel auch dazu ermutigt: „Dient einander, ein jeder mit der Gabe, die er empfangen hat“.

 

So können Orte der Versöhnung und des Friedens in dieser Welt aufgebaut werden und neue Geschichten von Siegen geschrieben, die wahre Siege sind, weil es keine Besiegten mehr gibt.