Das Evangelische Wort

Sonntag, 01. 08. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

Das evangelische Wort 1.8.2010

von Barbara Knittel (Feldkirch, Vlbg.)

 

 

 

Mir geht die Geschichte mit dem geborstenen Bohrloch im Golf von Mexiko nicht aus dem Sinn. Das ölige Meerwasser, die verklebten Vögel und die verzweifelten Menschen! Sie alle sind Opfer dieser Katastrophe. Mich packt dabei eine so unangenehme Mischung aus Zorn und Ohnmacht und natürlich richtet sich dieser Zorn auf die Täter, zum Beispiel auf die Manager bei BP. Sich in der Empörung Luft zu machen, das hilft ein bisschen und der Trauer, die dazukommt nachzugeben, auch das hilft. Und doch, es bleibt eine Lähmung. Die kommt sicher daher, weil die Zusammenhänge in dieser Katastrophe viel größer sind. Um nur weniges daraus zu nennen, die weltweite Abhängigkeit vom Öl, die zu so riskanter Ölgewinnung führt. Dazu unser Lebensgefühl - ohne Auto, ohne Wärme im Winter, ohne Plastikverbrauch - nicht auszudenken! In allem die Verquickung von Öl und Geld! Das sind riesige Themen! Was soll ich  da als Einzelne! Abwarten und gute Gedanken in die Krisenregion zu schicken, wie das jetzt ja viele tun? Ich möchte das nicht bagatellisieren, aber die Lähmung bleibt.

 

Vielleicht braucht es zu den ganz großen Zusammenhängen, die man ja mit bedenken muss, auch etwas ganz Kleines. Ich selbst zum Beispiel bin ja nur ein Punkt im Ganzen und doch versuche ich jetzt von diesem Punkt auszugehen. Es geht um die Täter, es geht um die Opfer. Und wo gehöre ich dazu? Es gibt ja noch die Dritten, die Zuschauer oder anders, die Mitspieler. Ich zähle mich jetzt einmal zu den Mitspielerinnen.

 

Eine jüngere Freundin hat mir dazu vor kurzem einen kräftigen Anstoß gegeben. Im Zusammenhang mit dieser Ölkatastrophe hat sie ihr Auto hergegeben. Sie konnte Ihre Mitbeteiligung am Benzinverbrauch nicht mehr verantworten. Dieser Entschluss beeindruckt mich, aber das völlige Verzichten kann ich mir jetzt nicht vorstellen. Zu sehr bin ich daran gewöhnt, einfach ins Auto zu steigen oder Plastikutensilien zu kaufen. Und doch - mir fallen dazu Zeilen aus einem Hessegedicht ein: „Nur wer bereit zum Aufbruch ist, zur Reise, kann lähmender Gewöhnung sich entraffen.“Es klingt in dem Zusammenhang etwas pathetisch, aber die lähmende Gewöhnung fällt mir auf. Sicher hängt die große Lähmung, die ich vorhin meinte mit meiner kleinen lähmenden Gewöhnung zusammen? Dann heißt es aber, dort, im Kleinen einzusetzen.

 

Dazu fällt mir die Mitspielerin ein. Vielleicht könnte die Mitspielerin in mir noch eine andere Färbung bekommen. Als biblisch Geschulte denk ich an ein sehr altes Bild. Nämlich die göttliche Mitspielerin, die den Namen Sophia trägt. Übersetzt - Weisheit. Im Buch der Sprüche kommt diese Weisheit selbst zu Wort: „Als Gott die Fundamente  der Erde einsenkte war ich dabei. Da war ich als Liebling ihm zur Seite und spielte auf seinem Erdenrund.“ (Spr.8/30,31) Die Weisheit ist nicht exklusiv und nicht auf biblische Vorzeiten beschränkt. Jedem Menschen ist es möglich, weise zu werden. In Verbundenheit mit Gott zu einer weisen, schöpferischen Mitspielerin zu werden! Das beginnt sicher damit, lähmende Gewohnheiten zu bemerken und einschneidende Veränderungen im Lebensgefühl zu riskieren. Das beginnt sicher auch damit, im Mitspielen aufmerksamer zu werden. Ist es ein furchtbares Mitspielen oder ein kreatives, schöpferisches Mitspielen?

Sehr anregend wird in dem biblischen Buch der Weisheit gesagt:

„Die Weisheit ist beweglicher als alle Bewegung, in ihrer Reinheit durchzieht und durchdringt sie alles. Sie ist ein Hauch der Kraft Gottes, ein Widerschein des ewigen Lichts“ (Weisheit 7/24-26.)