Das Evangelische Wort

Sonntag, 08. 08. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

„Bilder gegen die Hoffnungslosigkeit“

von Pfarrer Martin Müller (Waiern, Kärnten)

 

 

Noah ließ eine Taube fliegen, um zu sehen, ob das Wasser versickert war. Aber die Taube fand keinen Platz zum Ausruhen, denn die Flut bedeckte noch das ganze Land. Noah wartete noch weitere sieben Tage und ließ die Taube erneut ausfliegen. Gegen Abend kam sie zurück, mit dem frischen Blatt eines Ölbaums im Schnabel.

Da wusste Noah, dass das Wasser der Sintflut versickert war. (1.Mose 8)

 

Das Wasser steht hoch und reicht dem Mädchen fast bis zum Hals. Trübbraunes Wasser, mit dem die Flutwelle nach heftigen Monsunregen das kleine Dorf in Bangladesch überschwemmt hat.

Das Mädchen versucht sich in Sicherheit zu bringen – aber nicht nur sich, auch ihre Katze:

mit hoch gestreckten Armen hält sie das ängstliche Tier über ihren Kopf und sucht einen sicheren Platz, der beide vor dem steigenden Hochwasser schützt.

Das Bild geht um die Welt. Ein bewegendes Bild, zärtlich und widerständig zugleich. Das Bild illustriert den unbändigen Kampf der Ärmsten gegen eine bedrängende Katastrophe, die alles Leben zerstört.

 

Vor einer bedrängenden Katastrophe sucht sich auch Noah und seine Familie zu schützen.

 

Von Gott erhält er den Auftrag, eine Arche zu bauen. Ein riesiges Schiff aus Holz, das Schutz bietet für ihn und seine Familie und für alle Tiere, von denen er Männchen und Weibchen aufnimmt, damit sie sich später wieder weiter vermehren können. Denn die nahende Sintflut droht alles Leben unter sich zu begraben und zu zerstören.

 

40 Tage und 40 Nächte regnet es dann, das Leben versinkt unter den Wassermassen – nur die Arche bietet Schutz für Mensch und Tier. Und als der Spuk vorbei ist, halten alle sehnsüchtig Ausschau nach trockenem Land.

 

Es ist eine berührende Szene: wie Noah das Fenster öffnet, wie er die Taube heran fliegen sieht, wie er ihr die Hand entgegen streckt  und sich die Taube drauf nieder lässt mit einem Ölzweig im Schnabel. Eine berührende Szene, weil sie die Sehnsucht und die Hoffnung auf den Punkt bringt: die Zerstörung hat ein Ende, die Erde gibt das Land wieder frei.

 

In den letzten Wochen und Monaten gibt es wohl keinen Tag, an dem nicht von der unseligen  Ölkatastrophe am Golf von Mexiko berichtet wird.

 

Wenn ich diese Berichte sehe, bin ich versucht, abzuschalten oder drüber zu blättern. Zu bedrängend sind für mich die Bilder von den mit Öl verklumpten Stränden, von gestrandeten Fischen, die im Todeskampf nach Luft schnappen oder von Vögeln, die vergeblich ihre ölverschmierten Flügel bewegen wollen und nicht können.

 

Es erfasst mich ein Gefühl von Ärger und Zorn und zugleich von Hilflosigkeit, wenn ich daran denke, wie fahrlässig wir Menschen mit dem kostbaren Gut Wasser, mit Pflanzen und Tieren, ja mit der ganzen Schöpfung umgehen. Dass Ölkonzerne in hochsensiblen Gewässern Tiefseebohrungen vornehmen dürfen, ganze Regionen gefährden und nicht einmal Notfallmaßnahmen  einkalkulieren. Die Aussage eines Managers, dass alles wieder in Ordnung gebracht und die Firma den Schaden bezahlen werde, klingt da wie ein Hohn. Ich frage mich: ist es Kopflosigkeit oder Verblendung, in jedem Fall aber Barbarei, so mit Gottes guter Schöpfung umzugehen.

 

Aber ich will nicht der Hoffnungslosigkeit Raum geben, die keine Perspektive mehr sieht für die Schöpfung und für die nächsten Generationen. Ich will der Verheißung Glauben schenken, dass es Gottes gute Schöpfung ist, die nicht der Zerstörung preis gegeben werden darf.

 

Deshalb betrachte ich die Bilder der Hoffnung und des Glaubens: wie das Bild des  Mädchens, das inmitten trüber Wassermassen ihre Katze hochhält und in Sicherheit bringt  oder das Bild der Arche und des Ölzweigs im Schnabel der Taube oder das Bild der Auferstehung Jesu, das neue Morgenluft atmen lässt nach dem Gestank des Todes und mich ermutigt, alles zu tun, um Leben und Schöpfung  zu schützen und zu bewahren.