Das Evangelische Wort

Sonntag, 12. 09. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Peter Pröglhöf, Fachinspektor für den evangelischen Religionsunterricht in Salzburg, Tirol und Vorarlberg

 

 

Am Ende dieser Sommerferien habe ich wieder mit einer Reisegruppe meiner Pfarrgemeinde an einer Studienfahrt auf den Spuren der Reformation teilgenommen. Luthers Augustinerkloster in Erfurt hat uns wieder ein stimmungsvolles Quartier geboten, aber einer der Schwerpunkte der Reise war die Auseinandersetzung mit einem dunklen Kapitel der Reformationszeit, den Bauernkriegen von 1525.

 

Die Bauern haben damals unter der brutalen Abhängigkeit von ihren Herren gelitten, unter hohen Abgaben, die sie schon kaum mehr leisten konnten, unter der Rechtlosigkeit, die ihnen keinerlei Vertretung in den politischen Gremien des Reichs zugestand. Die Reformgedanken Martin Luthers fielen daher bei der Sehnsucht der Bauern nach mehr Freiheit und Gerechtigkeit auf fruchtbaren Boden. Und so kommt es zu Aufständen, Plünderungen von Schlössern und gewalttätigen Übergriffen gegen die Adeligen und die Klöster. Martin Luther wurde vorgeworfen, er habe die Bauern aufgestachelt. Doch der spricht sich in einer Flugschrift mit dem Titel „Wider die mörderischen und räuberischen Rotten der Bauern“ für die gewaltsame Niederschlagung des Aufstands aus.

 

Ist Martin Luther einfach nur obrigkeitshörig? Die Geschichte der Evangelischen Kirche in den Ländern, wo sie sich nach der Reformationszeit etablieren konnte, ist ja oft von der Tradition des Gehorsams gegenüber der Obrigkeit geprägt. Und in der Tat ermahnt Luther zum Gehorsam gegenüber der Obrigkeit auch dann, wenn es eine böse Obrigkeit ist: „Dass die Obrigkeit böse und unrecht ist, entschuldigt keine Rotterei noch Aufruhr. Denn die Bosheit zu strafen das gebührt nicht einem jeglichen, sondern der weltlichen Obrigkeit, die das Schwert führt“, schreibt er ebenfalls 1525 in seiner „Ermahnung zum Frieden“.

 

Das ist die eine Seite. Die andere Seite ist aber, dass Martin Luther sich kein Blatt vor den Mund genommen hat, wenn er die Fürsten und Herren daran erinnert, wozu sie eigentlich da sind: Nämlich dafür zu sorgen, dass die Menschen in ihrem Land ein gutes Leben in Frieden und Rechtssicherheit führen können. So schreibt er im gleichen Jahr 1525, ein guter Fürst soll nicht denken: „Land und Leute sind mein, ich will’s machen, wie mir’s gefällt; sondern also: Ich bin des Landes und der Leute, ich soll’s machen, wie es ihnen nütz und gut ist. Nicht soll ich suchen, wie ich hoch fahre und herrsche, sondern wie sie mit gutem Frieden beschützt und verteidigt werden.“ Und er deckt schonungslos auf, dass es die Fürsten und Herren sind, die den Zorn der Bauern heraufbeschworen haben. Ihr tut im weltlichen Regiment, schreibt er, nicht mehr, „denn dass ihr schindet und schatzt, eure Pracht und Hochmut zu führen, bis es der arme gemeine Mann nicht kann noch mag länger ertragen.“

 

Heute, bald 500 Jahre später, haben sich unsere politischen Verhältnisse sehr verändert. In einem demokratischen Land sind wir nicht einfach nur Zuschauer bei dem, was irgendwelche Obrigkeiten tun, sondern wir sind aufgefordert, mitzugestalten. Und deshalb haben wir, nicht nur in Zeiten von Wahlen, die Möglichkeit und auch die Pflicht, zu beurteilen, ob unsere gewählten Politikerinnen und Politiker vom Ziel geleitet sind, Recht, Gerechtigkeit und Frieden für alle zu verwirklichen. Mein Eindruck ist leider, dass sehr oft nur noch das Ziel, die nächsten Wahlen zu gewinnen, ihr Denken und Handeln bestimmt, und zwar auch mit populistischen Mitteln und Schlagworten, die Emotionen schüren. 500 Jahre nach Martin Luther bleibt das eine Aufgabe für uns: Uns nicht vor den Karren von Machtinteressen spannen zu lassen, sondern zu Gerechtigkeit und Frieden zu mahnen und selber so viel wie möglich dazu beizutragen.