Das Evangelische Wort

Sonntag, 19. 09. 2010,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

 

von Pfarrer Andreas Fasching (Wien)

 

 

Von Gott, der dich ins Licht stellt

 

„Jeder von uns strahlt in seinem eigenen Licht“, sagt ein bei den Salzburger Festspielen umjubelter Sängerstar. Im Interview mit einer Tageszeitung erklärt er, warum er nur selten gemeinsam mit seiner Partnerin – ebenfalls Sängerin – auftritt. Beim Lesen des Interviews wird mir klar, wie sehr hier zwei Stars sich ängstigen, dass sie einander etwas von ihrem Glanz nehmen, einander in den Schatten stellen könnten. Und von solchen ist unsere Welt ja voll – auch wenn nicht alle Starruhm genießen. Menschen, die sich tagtäglich selbst inszenieren und sich selbst ins Licht stellen. Menschen, die meinen, alles allein schaffen und im Griff haben zu müssen. Die drehen sich nur mehr um sich selbst.

 

Wie ein Gegenentwurf liest sich da ein Wort des Paulus im 1.Korinther: Die Liebe sucht nicht das Ihre (13,5). Wer sich von diesen Worten leiten lässt, strahlt nicht im eigenen Licht, sondern wird von anderen ins Licht gesetzt und setzt selber andere ins Licht. Wenn ich liebe – so Paulus, dann geht es nicht um mich und meine ängstliche Sorge, wie ich denn da stehe und gefalle und ankomme. Die Liebe sucht die und den anderen.

 

Liebe bejaht jemand anderen unter Umständen auch, obwohl diese Person so ist, wie sie ist. Eine solche Liebe befreit andere aus der Angst, nicht liebenswert zu sein um ihrer selbst willen. So muss sich keine und keiner selbst ins Licht stellen, weil sie erfahren, dass sie strahlen im Licht der anderen. Und das nicht bloß, weil und solange jemand gebraucht wird, sondern um seiner selbst willen.

 

„Es ist was es ist“, schreibt Erich Fried. Es ist nicht erklärbar und nicht mit den Maßstäben unseres Verstandes zu messen. Liebe sprengt alle Prinzipien, nach denen diese Welt geordnet ist. Liebe verändert meine Wahrnehmung und wo sie sich ereignet und einen mitnimmt, verändert sie mich selbst, mein innerstes Wesen.

 

Liebe schafft es, dass ich mich selbst verlieren, mich hingeben kann an und für einen geliebten Menschen. Liebe ist Selbstlosigkeit im ursprünglichen Sinn des Wortes, weil ich mich los-lassen kann. Ich wende mich ganz dem geliebten Du zu und gewinne mich aus diesem Du neu. So entsteht daraus, dass ich mich von mir selbst entferne, eine neue und größere Nähe zu mir, wie ich sie zuvor nicht gekannt habe – eine Nähe, die mir geschenkt ist durch das Du, zu dem der geliebte Mensch mir geworden ist. Nun bin ich beides, Liebende und Geliebte oder Liebender und Geliebter. Ich verliere mich, habe mich nicht mehr selbst, sondern finde mich im Du und bin genau darin wirklich menschlich.

 

Und mit etwas so Menschlichem wie der Liebe bringt die Bibel Gott in Verbindung. Wenn wir als Menschen lieben, dann geht es nach biblischer Überzeugung darum, dass wir einander lieben, nicht aber darum, dass wir Gott lieben. Denn die Liebe ist immer eine Vorgabe, ein Geschenk Gottes. Wenn unsere Liebe den Weg zu Gott findet, dann kann sie das nur über den Umweg, dass wir einander lieben.

 

Also kann Gott nur entdecken, wer ganz tief in sein Menschsein eindringt. Es geht deshalb nicht um eine moralisch oder religiös überhöhte Liebe, sondern um die ganz alltägliche, wie sie jeder und jedem von uns begegnen kann und hoffentlich schon begegnet ist. Weil Gott Liebe und die Liebe aus Gott ist, begegnet mir Gott in den Menschen, mit denen ich es Tag für Tag zu tun habe. Und gerade darin weitet er meinen Alltag für die Zukunft, auf seine neue Welt hin. So ist der Alltag nicht mehr ausschließlich durch Alltäglichkeiten bestimmt, sondern dadurch, dass Gott dich und mich um unsretwillen ins Licht stellt.

 

Ich bin ganz sicher, dass jede und jeder ein Teil Gottes ist. Gott ist in dir und in mir, und wir strahlen – nicht in unserem eigenen Licht, sondern wir strahlen im Licht Gottes. Das beflügelt meine Kraft und meine Fantasie, auch andere ins Licht zu setzen und einander zu erkennen – unverstellt und frei.