Das Evangelische Wort

Sonntag, 17. 06. 2007,  6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1

 

 

                                                   

von Superintendent Paul Weiland

(St. Pölten)

 

 

Gott ist die Liebe; und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm. Dieser Satz steht in der Bibel, im 1. Brief des Johannes. Vielleicht haben Sie ihn schon oft gehört, so oft, dass Sie gleich weghören oder ihn überhören.

 

Vielleicht kommt er Ihnen auch zu idealistisch, zu romantisch oder jedenfalls zu weltfremd vor. An der Realität gemessen scheinen Sie Recht zu haben. Da gelingt es in Österreich vielen Menschen immer noch nicht, einen respektvollen und angemessenen Umgang mit Menschen aus anderen Kulturen und Religionen zu finden. Da sind Menschen, die zu uns kommen, für viele von vorneherein suspekt, wenn nicht sogar gleich kriminell.

 

Weltweit sieht es nicht anders aus. Da kämpfen die Israeli gegen die Palästinenser und die halbe arabische Welt und umgekehrt, aber jetzt bekriegen sich auch noch die Palästinenser untereinander.

 

Ich könnte noch viele Beispiele nennen vom unmoralischen Umgang mit Reichtum, vom verantwortungslosen Wirtschaften, von der gedankenlosen Ausbeutung der Natur, von fehlender Toleranz oder einfach von der mangelnden Sensibilität im Umgang der Menschen miteinander und untereinander.

 

Alles Beilspiele, dass es mit der im Johannesbrief zitierten Liebe nicht sehr weit her ist. Im Alltag zumindest, und abseits von besonderen Gefühlen für besondere Menschen. Die Bibel jedenfalls hat mit Liebe nicht irgendein romantisches oder sexuelles Gefühl gemeint. Liebe ist für hier die Zuneigung zu dem Menschen, der mich braucht.

 

Damit hat der Satz „Gott ist die Liebe, und wer in der Liebe bleibt, der bleibt in Gott und Gott in ihm.“ für Christen eine eminente politische und gesellschaftliche Dimension. Weil es nicht gleichgültig ist, wie ich mich als Christ gegenüber den offenen sozialen Fragen, gegenüber den Benachteiligungen von Menschen, gegenüber ungerechten Strukturen verhalte, ja überhaupt wie ich mich anderen Menschen gegenüber und in der Gesellschaft, in der ich lebe, einbringe.

 

Der Evangelist Matthäus betont diese gesellschaftspolitische Komponente ganz deutlich, wenn er sagt: „Wenn jemand spricht: Ich liebe Gott, und hasst seinen Bruder, der ist ein Lügner. Denn wer seinen Bruder nicht liebt, den er sieht, wie kann er Gott lieben, den er nicht sieht? Und dies Gebot haben wir von ihm, dass, wer Gott liebt, dass der auch seinen Bruder liebe.“

 

Irgendwelche Interessen, wirtschaftliche zum Beispiel oder Selbstschutz, sind keine Entschuldigung für eine fehlende Liebe. Wer den Mitmenschen nur als Konkurrenten sieht, oder als Belastung erlebt, der ist lieblos.

 

Das Besondere der Christen ist, dass sie ausgesuchte, von Gott berufene Menschen sind, die Liebe empfangen, und deshalb Liebe weitergeben können.

 

Und das verlangt von mir, jeden Menschen ganz und ungeteilt anzuerkennen in seinem Wert und in seiner Würde. Es verlangt von mir, mich für Menschen ganz unabhängig von einem Rentabilitätsdenken einzusetzen. Unabhängig von der Frage, was es mir bringt.

 

Christliche Liebe ist die Zuneigung zu dem Menschen, der mich braucht. Gottes Liebe ist Zuneigung zu mir, weil ich diese Zuneigung brauche, um leben zu können.