ZwischenrufSonntag, 08. 04. 2012, 6.55 Uhr - 7.00 Uhr Österreich 1
von Pfarrer i. R. Dr. Christoph Weist
Vielleicht ist der römische Kaiser Konstantin daran schuld. Der hat die christliche Kirche im vierten Jahrhundert von einer langen Verfolgungszeit erlöst, sie dann aber eng an die Brust seines Staates genommen. Daraufhin, so sagt man, sei die Kirche „brav“ geworden, und Christinnen und Christen würden bis heute vorzugsweise im Mainstream mitschwimmen. Deshalb sprechen ja auch Politikerinnen und Politiker in sonntäglichen Eröffnungsreden gern und freundlich von der Bedeutung der Kirchen bei der Erhaltung von „Werten“ in der Gesellschaft und von ihrer Aufgabe, in einer orientierungslosen Zeit Orientierung zu liefern. Und meinen doch nichts anderes als ihre eigenen Werte und die ihrer Partei, auf die hin die Gesellschaft „orientiert“ werden soll.
„Er ist auferstanden, er ist nicht hier!“ (Mk 16,6) sagt nach einem biblischen Bericht ein Engel am leeren Grab zu den Frauen, die den Leichnam des gekreuzigten Jesus salben wollten. Das wird am heutigen Osterfest begangen. Und das heißt: Es gilt nicht der Tod, sondern das Leben, die Welt ist anders geworden. Und es heißt weiter: Wenn Christinnen und Christen im Mainstream mitschwimmen, schwimmen sie in der falschen Strömung. Denn es gilt ein für alle Mal: Christlicher Glaube ist anders, Christinnen und Christen sind anders.
Hier steckt sie, die unglaublich revolutionäre Kraft des christlichen Glaubens. Der Glaube, dass Gott durch die Auferstehung des Jesus von Nazareth alles anders gemacht hat, hat das Christentum trotz allem Recht und Unrecht in seiner Geschichte niemals verlassen. „Er ist auferstanden, er ist nicht hier.“ Dieser eher trocken wirkende Satz bedeutet: Christinnen und Christen, denen es wirklich um Werte geht, um ihre Werte, die liegen alsbald deutlich quer.
Etwa in der Frage der – gar nicht so schleichenden - Renationalisierung der europäischen Staaten: Nein, es geht nicht, dass Staatengebilde sich absolut setzen, dass ihnen wirtschaftlich das Hemd näher ist als der Rock, dass sie Grenzen dichter machen oder gar neu ziehen. Für den christlichen Glauben sind Grenzen nichts Heiliges. Das macht ihn manchmal verdächtig. Aber er weiß: Grenzen sind von Menschen gemacht - und oft genug gegen Menschen.
Etwa in der Frage der weltweiten Migration. Nein, man kann und darf sie nicht einfach abwimmeln oder gewaltsam draußen halten, die vielen Schutzsuchenden, die zu uns kommen. Christlicher Glaube macht sich unbeliebt, wenn er nicht nur helfend einspringt, sondern den Staat immer wieder auf seine Verantwortung hinweist. Nicht nur Kirchenoberhäupter werden nicht müde, davon zu sprechen. Aber von Seiten der Politik wird das beharrlich – und vielsagend - ignoriert.
Etwa in der Frage der Armen im eigenen Land. Nein, man darf nicht einfach Gesetze schmieden, die fühlbar auf Kosten sozial schwacher Bevölkerungsgruppen gehen. Christlicher Glaube „trommelt“ förmlich dafür, diese Menschen sorgfältig im Blick zu behalten, wenn es darum geht, Gerechtigkeit in der Gesellschaft herzustellen. Aber auch dieses Trommeln stößt regelmäßig auf taube Ohren.
Das sind nur drei Beispiele von christlichen Werten. Sie liegen quer zu vielem, was in der Gesellschaft wichtig erscheint, zu Gruppendenken, Sicherheitsstreben und Verlustangst. „Er ist auferstanden, er ist nicht hier“: Wer das ernst nimmt, der erkennt zwischen den Worten einer Radiomeldung, hinter den Bildern eines Fernsehberichtes, zwischen den Zeilen einer Zeitung anderes als andere. Und er spricht es aus, ob man es hören will oder nicht. Mag sein, dass er sich damit nicht überall Freunde macht. Aber für ihn hat der alte Kaiser Konstantin ausgedient, im Mainstream mag er nicht mehr mitschwimmen. Viel lieber will er Ostern feiern.
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