Erfüllte Zeit

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Erfüllte Zeit
Sonntag 31. 12. 2000 -  7.05 Uhr - 8.00 Uhr

Radio Österreich 1

"Der zwölfjährige Jesus im Tempel" 
(Lukas 2, 41 – 52)
Das Sonntagsevangelium, gelesen von Dieter Dorner,
kommentiert von Propst Maximilian Fürnsinn

"Wer zürnt, wird dem Gericht verfallen" –
Versöhnung im Jahr 2001
Mit der Versöhnung ist es so eine Sache - es ist nicht immer leicht, den ersten Schritt zu machen. Im Kleinen wie im Großen. Doch es gibt Paare, die nach der Scheidung einander wieder heiraten. Es gibt Papst Johannes Paul II., der sich heuer in Israel für fragwürdige Taten seiner römisch-katholischen Kirche offiziell entschuldigte.

Es ist noch viel zu tun, um Versöhnung wirklich ernst zu meinen. In Nordirland, in Ruanda, am Balkan. Ethnische und religiöse Gruppen, die einander brutal bekämpften, versuchen ganz langsam, gegenseitiges Vertrauen aufzubauen.

Gestaltung: Roberto Talotta

 

Prälat Mag. Maximilian Fürnsinn, 
Propst des Stiftes Herzogenburg,
kommentiert das Evangelium zum Tag

GESCHENK FAMILIE
(Lukas 2, 41 - 52)

Weihnachten wird gerne als Familienfest bezeichnet.

Wer kann, feiert mit seiner Familie. Man erlebt dabei wieder einmal: wir gehören zusammen.

Diese Idylle zerreißt oft sehr schnell: Krisen und Brüche werden an Festtagen besonders spürbar; junge Leute brechen aus; wer sich sonst nichts zu sagen hat, findet auch an Festtagen nicht so leicht die richtigen Worte. Auf Knopfdruck gibt es den Familienzusammenhalt nicht.

Die Kirche verbindet mit Weihnachten das Fest der hl. Familie.

Die Liebe von Josef, Maria und Jesus, das Haus von Nazareth, wird als Idealbild gefeiert und vorgestellt.

Das Evangelium des heutigen Festtages erzählt von der Wallfahrt der hl. Familie nach Jerusalem und vom Aufenthalt des 12-jährigen Jesus im Tempel. Dieser Evangelienabschnitt beschließt das Kindheitsevangelium des Lukas. Er ist das Finale des ersten Evangelienteils.

Zu beachten ist: Zum ersten Mal kommt Jesus selbst zu Wort. Sein erster Satz im Originalton redet von Hingabe an den göttlichen Vater, von Hinhorchen und Gehorsam. So dicht und so tief ist Sein einmaliges Verhältnis zu Gott, Seinem Vater. Die Gestalt Jesu wird von dieser tiefen Verbundenheit mit dem Vater "durchleuchtet". ER ist Sohn.

Diese Perikope ist übrigens die einzige "Jugendgeschichte Jesu" in den Evangelien – wenn man von außerevangelischen apokryphen Texten absieht.

Ich möchte dieses Evangelium in zweifacher Hinsicht deuten: zunächst auf unsere Familien hin und dann – weil Silvestertag ist – auf die Menschheitsfamilie.

Zunächst ist das Evangelium Frohbotschaft für die Familie.

Gottes Sohn ist Kind einer Familie. Er fällt nicht vom Himmel. Er reift in einem Raum von Geborgenheit und Liebe heran, in einer Atmosphäre des Wohlwollens.

Es ist immer noch zu wenig erhoben, wie sehr Josef und Maria dieses Kind geprägt haben. Im Haus von Nazareth hat Jesus menschliche, soziale und religiöse Qualitäten erreicht, die IHN zu Seiner unverwechselbaren Sendung befähigen. Diese Prägung hat IHN weit über einen Rabbi und Wanderprediger hinausgehoben, ließ IHN die Horizonte der kommenden Gottesherrschaft erahnen. Er war fähig, Israel für Gott nochmals zu sammeln. Im Haus von Nazareth hat ER gelernt, die Liebe zu Gott, zu den Menschen und zu sich selbst zur Lebensgrundlage zu machen. Diese hl. Familie prägte sein erbarmendes Herz, wache Augen und einen frischen Geist.

Alles in allem: EINER, der mit Zwölf sagt: "Wusstet ihr nicht, dass ich in dem sein muss, was meinem Vater gehört?" – Das ist Reife. Das wurde IHM in dieser Familie geschenkt.

Spätestens hier spürt man, welches Geschenk Familie für den Menschen bedeutet. Wir alle wünschen uns, dass auch heute Kinder in Familien so heranwachsen können und viele dieser Erfahrungen machen dürfen – auch was die Tragfähigkeit einer festen Beziehung zu Gott betrifft.

Allerdings gibt es in allen Evangelien auch ein deutliches familienkritisches Moment. Das Neue Testament setzt Familie nicht selbstverständlich an die erste Stelle. Im Gegenteil: "Zuerst muss man in dem sein, was Gott gehört" – lesen wir heute. Jesus sagt denen, die IHM nachfolgen: "Wer Vater oder Mutter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert, und wer Sohn oder Tochter mehr liebt als mich, ist meiner nicht wert" (Mt. 10,37). Und es liegt IHM völlig ferne zu sagen: Lebt brav und gut in euren Familien! ER hat einen anderen Horizont: "Suchet zuerst Gottes Reich und seine Gerechtigkeit und alles andere wird euch dazugegeben werden" (Mt. 6,33). Anders gesagt: Jesus kommt aus einer wunderbaren Familie, wächst in ihr menschlich heran – aber ER setzt eine deutliche Grenze: der Gehorsam gegenüber dem Vater ist wichtiger.

Das Evangelium dieses heutigen Sonntags und dieses Silvestertages ist auch Frohbotschaft für die Menschheitsfamilie.

Am Ende des Jubiläumsjahres 2000 und an der Jahrtausendwende spüren wir den großen Advent der Menschheit.

Das Tagesevangelium von heute ist eine Pilgererzählung. Die Familie Jesu ist unterwegs auf den Weg zum Fest in Jerusalem.

Schließen wir dieses Jahr 2000 mit dem Hoffnungsbild ab, dass die ganze Menschheitsfamilie auf gemeinsamer Pilgerschaft zum Haus des Vaters ist. Wir gehen nach Hause. Auch unser Ziel heißt Jerusalem – die himmlische Stadt Gottes, ohne Tränen und Leid, absolut geborgen in Gottes Barmherzigkeit.

 

Letztes Update dieser Seite am  13.08.2002 um 11:17 

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