Erfüllte Zeit

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Erfüllte Zeit

Erzbischof Desmond Tutu


Erfüllte Zeit
Sonntag 21. 01. 2001
7.05 Uhr -  8.00 Uhr
, Radio Österreich 1

"Erstes Auftreten Jesu in Galiläa" 
(Lukas 1, 1 - 4; 4, 14 - 21)
Das Sonntagsevangelium gelesen von Dieter Dorner,
kommentiert von Rektor Wolfgang Schwarz

"Der Geist hilft unserer Schwachheit auf" - Ein Porträt der 'Charismatischen Gemeindeerneuerung'

Die Charismatische Gemeindeerneuerung ist eine jener Bewegungen, die innerhalb ihrer Kirche - der römisch-katholischen - versuchen will, den Glauben, wie ihn Jesus Christus verkündet hat, zu leben.

Die spirituelle Dimension, die Begeisterung für das Christentum, spielen dabei eine ganz große Rolle. Gleichzeitig bestehen auch freundschaftliche Kontakte zu anderen außerkirchlichen Bewegungen wie etwa den Menoniten.

Ist die Charismatische Gemeindeerneuerung eine exklusive "Elitetruppe", ist sie ein Hoffnungsträger für die katholische Kirche?

Gestaltung: Martin Gross

Kontaktadresse:
"alpha-Kurs", Lorenz Erlbacher, Tel.: 0662/840804

 

Aus: Desmond Tutu "Gott segne Afrika", 
Rowohlt Verlag, 1984

Erlösung ist teuer. Sogar als der Herr die Israeliten aus Ägypten gerettet hatte, mußten sie durch die Wüste ziehen. Sie mußten die Verantwortungen und die Schwierigkeiten der Freiheit ertragen. Das war kein Zuckerschlecken. Sie litten Hunger und Durst, und sie beklagten sich dauernd. Sie klagten, daß ihre Ernährung eintönig war, immer nur Manna ohne Fleisch usw.

Und schlimmer noch, viele von ihnen sehnten sich nach den Tagen der Knechtschaft und den Fleischtöpfen Ägyptens zurück. Sie hatten zu lernen, daß Befreiung einiges kostet. Es bedarf dazu der Einigkeit. Wir müssen uns bei den Händen halten und uns nicht entzweien lassen. Die Herrschenden möchten immer teilen und herrschen. Wir müssen wissen, bevor wir unser Verheißenes Land erreichen, wird es Einkerkerungen geben, es wird Verbannungen geben, es wird Vorbeugehaft geben, es wird Todesfälle in der Haft geben, es wird das Exil geben, es wird Zwietracht geben und es wird Verrat und Mangel an Loyalität geben. Einige von uns werden den Tag der Befreiung physisch nicht miterleben. Aber sie werden zu dem Kampf beigetragen haben. Wir wollen einig sein, wir wollen hoffnungsvoll sein, wir wollen einander achten.

Gebt die Hoffnung niemals auf!
Gott ist wie der gute Hirte der hinaus
geht um die verlorenen Schafe zu suchen. Wir werden von den religiösen Bildern irregeleitet, die Jesus als den guten Hirten darstellen, der ein knuddeIiges weißes Lamm auf seiner Schulter trägt.

Ein Lamm wird sich kaum von seiner Mutter entfernen. Das schwierige, aufmüpfige Schaf wird viel wahrscheinlicher verlorengehen, indem es den Zaun durchbricht, dabei Wolle verIiert und vermutlich im Dreckwasser eines Grabens landet. Der gute Hirte ist auf der Suche nach diesem dreckigen, stinkenden, unmanierlichen Wesen und läßt die 99 braven Schafe in der Wildnis allein, und wenn er es aufspürt, dann trägt er es auf seinen Schultern und lädt seine Freunde ein, mit ihm zu feiern. Das ist ein phantastische Sache - das ist die frohe Botschaft.

Desmond Tutu

 

Dr. Wolfgang Schwarz
kommentiert Lukas 1, 1- 4; 4, 14 - 21

Jesus hatte die Stadt Nazaret, in der er aufgewachsen war, verlassen und war zum Jordan hinuntergewandert. Dort hatte sein Cousin, Johannes der Täufer, begonnen, als Prediger zu wirken. Er kritisierte in seiner Predigt die Missstände seiner Zeit: Da gab es Menschen, die genug zum Anziehen und zu essen hatten und daneben solche, die kein Gewand und nichts zu essen hatten. Die Zöllner verlangten Wucherpreise. Die Soldaten misshandelten und besserten ihren Sold durch Aneignungen auf. Und der Landesfürst Herodes lebte mit der Frau seines Bruders zusammen.

Umkehr sei dringend nötig, forderte daher Johannes. Und seine Predigt zeigte Wirkung, denn Menschenmassen kamen zu ihm und ließen sich zur Vergebung ihrer Sünden im Jordan taufen. Auch Jesus schloss sich dieser Umkehrbewegung an und wurde getauft. Danach zieht es ihn für 40 Tage in die Wüste, wo er sich in verschiedenen Versuchungen durch den Teufel bewähren musste. 

Zurückgekehrt in seine Heimatprovinz Galiläa, lehrt er in den Synagogen und kommt dort sehr gut an. Schließlich erreicht er auch wieder seine Heimatstadt Nazaret. Als gläubiger Jude geht er wie üblich zum Shabbat-Gottesdienst in die Synagoge. Er wartet jedoch nicht ab, ob man ihn um die Schriftlesung bitten würde. Er selbst macht Anstalten, nun vorlesen zu wollen. Die Jesaja-Rolle wird ihm in die Hand gedrückt. Und er schlägt einen Text auf, der nicht der liturgischen Leseordnung der Shabbat-Gottesdienste entspricht, sondern er wählt folgende Schriftstelle aus:

"Der Geist des Herrn ruht auf mir;
denn der Herr hat mich gesalbt.
Er hat mich gesandt,
damit ich den Armen eine gute Nachricht bringe;
damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde
und den Blinden das Augenlicht;
damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze
und ein Gnadenjahr des Herrn ausrufe."

Dadurch, dass Jesus selbst diesen Textabschnitt auswählt, macht er ihn zu seiner persönlichen Botschaft. Und der Umstand, dass er abschließend dazu erklärt, "heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt", lässt seine jüdischen Zuhörer aufhorchen: Er bezieht diesen Text auf sich! Sie kennen ihren großen Propheten Jesaja sehr gut und wissen, dass er mit diesen Versen über das Wirken des erwarteten Messias, über den Gesalbten, spricht! Sie müssen aber auch feststellen, dass der Satz, die Zerschlagenen in Freiheit zu setzen, aus einem anderen Abschnitt des Jesaja stammt. In diesem setzt sich der Prophet mit der richtigen Form des Fastens auseinander und fordert unter anderem die Befreiung der Zerschlagenen ein. Und das Stichwort vom "Gnadenjahr" in Verbindung mit dem Gedanken der "Befreiung" muss sie an ihr jüdisches Gesetzbuch erinnern, in dem von einem Erlassjahr die Rede ist, in dem alle 7 Jahre jeder Inhaber eines Darlehens aus seiner Hand lassen soll, was er seinem Nächsten geliehen hat. 

Darüber hinaus kennt ihre Bibel auch das Jubeljahr, das alle 50 Jahre, also nach 7 Erlassjahren, ausgerufen wird. Es ist ein Jahr der Freilassung für alle, die in Knechtschaft geraten sind und was in Not verkauft werden musste, geht an den früheren Eigentümer zurück. Diese Gesetze und Regelungen haben eine regelmäßige und rechtlich garantierte Befreiung von drückender Schuldenlast zum Ziel. Sie sichern aber auch zu, dass jeder Versklavte wieder zu seiner Familie zurückkehren kann und seinen Grundbesitz zurückerhält. Dadurch werden ursprüngliche Zustände wiederhergestellt und Neuanfänge des Lebens ermöglicht. 

Ein weiterer Grundgedanke dieser Verordnungen ist, dass das Leben jedes Menschen Gott gehört und nicht einem Sklavenhalter, und dass jeder Grundbesitz nur von Gott ausgeliehen ist, weil alles Land Gott selbst gehört. Hinter diesen Normen steht auch die Erfahrung, dass nahezu alle soziale Ungerechtigkeit mit dem Schuldenwesen in Zusammenhang zu bringen ist und gesellschaftliche Unterschiede von Reichtum und Armut, von Freiheit und Sklaverei nach sich ziehen. 

Wenn Familien verschuldet waren, mussten sie ihre Kinder verkaufen oder Stück für Stück ihren Landbesitz veräußern, verloren so ihre Freiheit und endeten letztlich im Schuldturm, um die Schuldentilgung zu erzwingen.

Mit der Auswahl des Schrifttextes aus Jesaja hat Jesus einen wunden Punkt seiner Gesellschaft angesprochen. Er kündigt damit an, dass sein Auftreten als Messias keine spannungsfreie und harmonische Friedenszeit für die Sklavenhalter, für die Reichen und Satten, sowie für die Großgrundbesitzer einleitet. Sein Programm heißt Gerechtigkeit für die Armen, für jene, die unter's Joch gekommen sind und die durch Unterdrückung gebrochen sind. Seine Sendung schließt aber auch ein, den Blinden wieder das Sehvermögen zu geben, denn in der Antike war Blindheit gleichbedeutend mit Armut und Not. Deshalb sagte ein rabbinischer Text: " Wenn Gott kommt, die Welt zu heilen, heilt er zuerst die Blinden".

Mit dem Hinweis auf die Ausrufung eines Gnadenjahres des Herrn, was offensichtlich damals entsprechend der jüdischen Ordnung gerade nicht vorgesehen war, signalisiert er, dass er nicht gewillt ist, mit seinem Einsatz für Gerechtigkeit lange zu warten, sondern noch heute damit anzufangen. Es ist keine Zeit zu verlieren. Die Lage der Schwachen und Schwächsten ist ernst.

Genauso ist die Botschaft der von ihm ausgewählten Schriftstelle eine massive Kritik an jenen, die das jüdische Gesetz und die Propheten immer wieder hören und lesen, denn die ungerechten Zustände gibt es immer noch. Mit seinem messianischen Auftreten sollen die alten Regeln für das Zusammenleben seines Volkes wieder in Erinnerung gerufen und in die Tat umgesetzt werden. Unverzüglich.

Es war kein beschaulicher Shabbat-Gottesdienst in der Synagoge von Nazaret. Und was Jesus seinen Mitfeiernden damals vorgelesen hat, war Klartext. Und wenn wir heute diesen Evangelienabschnitt lesen, sollte auch für uns alles klar sein: Das Gnadenjahr des Herrn ist und bleibt ausgerufen!

 

Letztes Update dieser Seite am  23.09.2002 um 10:13 

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