Muslimin

Krankenbetreuung

Krankenhauszimmer

Rektor Wolfgang Schwarz kommentiert Lukas 4, 21 - 30


Erfüllte Zeit
Sonntag 28. 01. 2001
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
, Radio Österreich 1

"Die Ablehnung Jesu in seiner Heimat" 
(Lukas 4, 21 – 30)

Das Sonntagsevangelium gelesen von Dieter Dorner,
kommentiert von Rektor Wolfgang Schwarz

"As-salamu alaikum" – MuslimInnen helfen im Spital

Im letzten Jahr hat sich vor allem in Wien innerhalb der islamischen Glaubensgemeinschaft einiges getan. So wurden etwa – zum ersten Mal – zwei Frauen mit wichtigen Funktionen betraut.

Neu ist auch das Projekt einer Krankenhausseelsorge, die neben religiöser Begleitung auch Nahtstelle zwischen Patienten und Spitalspersonal sein will. Nötigenfalls wird auch ein Dolmetschservice sowie Unterstützung im Umgang mit Ämtern geboten.

Was für Christen schon längst üblich ist, nämlich umfassende Unterstützung im Fall eines Spitalsaufenthaltes, wird jetzt also auch für Muslime verwirklicht. Die Erfahrungen, die man bisher in drei Wiener Spitälern mit dem Projekt gemacht hat, sind eindeutig positiv.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

 

Dr. Wolfgang Schwarz
Lukas 4, 21 – 30

Der Text aus dem Lukasevangelium, den wir gehört haben, ist der zweite Teil eines längeren zusammenhängenden Schriftabschnitts. Jesus tritt zum ersten Mal und - wie sich herausstellen wird - zum einzigen Mal an einem Shabbat in der Synagoge von Nazaret auf, in jener Stadt, in der er aufgewachsen war. 

Zunächst sah alles nach Heimvorteil für ihn aus. Man überlässt ihm die Schriftlesung im Shabbatgottesdienst. Er wählt dafür selbst einen Schrifttext aus dem Buch des Jesaja aus, der darin gipfelt, dass ein "Gnadenjahr des Herrn" ausgerufen werden soll, ein Jahr also, in dem alle Ungerechtigkeiten beendet werden, Sklavendienste aufhören, und den Schwachen und Armen der Gesellschaft in ihrer Not geholfen werden soll. 

Jesus schließt an die Schriftworte eine Kurzpredigt an, die aus einem Satz besteht: "Heute hat sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt." Die Zuhörer in der Synagoge sind vom Inhalt seiner Worte begeistert. Sie bringen aber auch ihren Stolz über das Kind ihrer Stadt, das so begnadet reden kann, mit der Frage zum Ausdruck: "Ist das nicht der Sohn Josefs?". Jesus jedoch ist mit dieser Reaktion seines Publikums nicht einverstanden. Er wollte mit seiner Schriftlesung und mit seiner Kurzpredigt nicht erreichen, dass man sein begnadetes Reden lobt und es für schöne Worte hält. Sondern er wollte damit ankündigen, dass er mit diesem Tag beginnen will, alle Erwartungen, die mit dem Kommen des Messias verbunden waren, zu erfüllen. Um dies klarzustellen, wird sein Ton scharf und vorwurfsvoll. Er hat seine Zuhörer durchschaut.

Wenn schon Gnadenjahr und wenn schon messianische Zeit, dann wollen sie große Dinge" von ihm sehen, wie er sie in Kafarnaum gewirkt hat, wie sie von dort gehört hatten, denn Kafamaum liegt nur eine Tagesreise von Nazaret entfernt, am See Gennesaret. Über diese großen Dinge" können wir im Lukasevangelium im Anschluss an die Nazaret-Perikope lesen. In der Synagoge von Kafarnaum hatte er an einem Shabbat einen Mann von der Gewalt eines Dämons befreit, danach machte er die Schwiegermutter des Petrus fieberfrei und schließlich hatte er Kranke, die man zu ihm brachte, von allen möglichen Leiden geheilt. Also solche Dinge wollten sie auch in Nazaret sehen.

Was Jesus hier in seiner Vaterstadt erlebt, ist für ihn nichts Neues. So ist es im Laufe der Geschichte Israels auch den von Gott gesandten Propheten ergangen. Das eigene Volk war für die Kernaussagen ihrer Botschaften und Visionen taub. Die Propheten wurden abgelehnt, gequält, verfolgt und sogar mit dem Tod bedroht. Als einzigen Trost hatten sie in ihrem Dienstgepäck die Zusage Gottes: "Ich bin mit dir!".

Jesus versteht das, was er in Nazaret erlebt, als Prophetenschicksal, er gibt aber deshalb nicht auf. Im Gegenteil, er wird in seinen Vorwürfen noch deutlicher. Er erinnert seine Zuhörer an die Zeit des Elija und des Elischa. Elija war als wundertätiger Gottesmann bekannt. Elischa war sein Schüler, der in die Fußstapfen seines Vorgängers trat. An zwei von diesen beiden gewirkte Zeichen erinnert Jesus die Menschen in Nazaret: an die wunderbare Brotgabe für eine Witwe und deren Sohn in Sarepta, einer Stadt im heutigen Libanon, in einer Zeit der Hungersnot und an die Heilung des syrischen Offiziers Naaman vom Aussatz. Die beiden Gottesmänner Israels - und das ist die Pointe der beiden Geschichten - heilten und halfen nicht Menschen aus ihrem Volk Israel, sondern Heiden! Der Grund war der, dass sich das Volk Israel samt seinen Königen völlig ablehnend gegen die beiden verhalten hatte, sogar seinen Spott mit ihnen trieb.

Nun war die Stimmung in der Synagoge von Nazaret ausgereizt, denn Jesus führt den Gottesdienstbesuchern durch diese beiden Beispiele deutlich vor Augen, dass Nazaret "große Dinge", wie sie in Kafarnaum durch ihn geschehen sind, nicht sehen und erleben wird! Der frühere Beifall und das Staunen über Jesu begnadetes Reden der Synagogenbesucher von Nazaret schlagen in Wut um. Ihre Stadt ist von steilen Abhängen umgeben. Sie sollen ihm den Tod bringen, beschließen sie. Wer vor uns keine "großen Dinge" tut, der muss sterben. Und vielleicht gab Jesus in diesem Augenblick die Zusage Gottes, die er allen Propheten gegeben hat, ich bin mit dir!", die Kraft, mitten durch die Menge zu schreiten und wegzugehen.

Der Evangelist Lukas hat mit dieser Erzählung nicht nur ein Stück Jesusgeschichte beschrieben. Lukas, der großartige Erzähler, schrieb damit auch eine Lehrgeschichte, die zu unserer Zeit passt: Nicht wenige Menschen sehnen sich zutiefst nach einem "Gnadenjahr des Herrn", in dem Gerechtigkeit und sozialer Friede endlich verwirklicht werden. Von Menschen mit solchen Botschaften sind sie rasch begeistert und jubeln sie hoch. Von ihnen erwarten sie, dass sie "große Dinge" tun, Wunder wirken, Wunder, von denen sie auch von wo anders gehört haben. Aber, sie wollen nur Zuschauer bleiben. Die Wunder sollen die anderen vollbringen. Sie wollen nur selber die Früchte des "Gnadenjahres des Herrn" genießen. Und von jenen, von denen sie die Wunder erwarten, wollen sie immer "größere Dinge" und noch mehr und mehr davon.

Doch wenn die sagen, "allein schaff ich's nicht", und "helft alle mit", lassen sie sie wegen Erfolglosigkeit fallen und die sind für sie gestorben. Aber leider stirbt damit auch wieder ein "Gnadenjahr des Herrn". Und die wahren Idealisten schreiten mitten durch die Menge hindurch und gehen weg. Verständlich, aber sehr schade! Auch Jesus trat nur zum ersten und auch zum letzten Mal damals in Nazaret auf. Dann nie mehr wieder!

 

Hoffnung und Glaube

Wenn die Hoffnung aufhört, ist das Leben tat-
sächlich oder potentiell zu Ende. Die Hoffnung
ist ein dem Leben innewohnendes Element. Sie
ist Ausdruck der Dynamik des menschlichen
Geistes. Sie steht in engem Zusammenhang mit
einem anderen Element des Lebens: mit dem
Glauben. Der Glaube ist nicht eine schwache
Form des Fürwahrhaltens oder des Wissens. Es 
geht nicht um den Glauben an dieses oder je-
nes. Glauben heißt, von etwas noch nicht Be-
wiesenem überzeugt zu sein, ist ein Wissen um
die realen Möglichkeiten, bedeutet sozusagen,
einer »Schwangerschaft« gewahr werden. Glau-
be ist dann rational, wenn es sich dabei um das
Wissen um das Wirkliche, aber noch Ungebore-
ne handelt. Es gründet sich auf ein Wissen und
Verstehen, das unter die Oberfläche dringt und
den Kern wahrnimmt. Der Glaube ist wie die
Hoffnung keine Voraussage der Zukunft; er ist
vielmehr die Vision der Gegenwart im Zustand
der Schwangerschaft.

Erich Fromm

 

Letztes Update dieser Seite am  26.08.2002 um 12:21 

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