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Erfüllte Zeit

Russische-orthodoxe Kirche


Erfüllte Zeit
Sonntag 11. 2. 2001
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
, Radio Österreich 1

"Der Andrang des Volkes" (Lukas 6, 17. 20 – 26)
Das Sonntagsevangelium kommentiert Prof. Wilhelm Zauner

"Was glauben Sie?" – 
Der Straftäter und Ikonenmaler Dan Siluan

Seit 20 Jahren sitzt der Deutsche Dan Siluan (Pseudonym) in einem Gefängnis in Nordrheinwestfalen. Der heute 51jährige hatte vor 20 Jahren Banken überfallen. Im Zuge seiner letzten Straftat kam dabei ein junger Bankangestellter zu Tode, weshalb Siluan zu lebenslanger Haft verurteilt wurde.

Im Gefängnis findet Siluan zu einer neuen Lebensaufgabe, die ihn im Laufe der Jahre in seiner Persönlichkeit grundsätzlich wandelt. Er lernt das Handwerk der Ikonenmalerei und beginnt einen religiösen Lebensweg. Seinen bürgerlichen Namen ändert er in den Namen des berühmten russischen Starzen (religiöser Mönch und Weisheitslehrer) Dan Siluan. Um mit der Schuld leben zu können, beginnt er ein einfaches Leben aus dem Gebet und dem Dasein für Andere. Im Jahr 2006 wird Dan Siluan entlassen werden.

Für die Radioreihe "Was glauben Sie?" hat Johannes Kaup Dan Siluan im Gefängnis besucht und ihn gefragt, was ihn im Leben trägt und wie er sein zweites Leben gestaltet.

 

Sören Kierkegaard "Einübung ins Christentum"
Wenn also, um bis auf weiteres ein Beispiel aus dem Geringeren zu
nehmen, ein Mann begeistert für Wahrheit und Recht kämpft, mit jeglicher Aufopferung, unbedingt uneigennützig, ... so gibt es, obgleich nicht viele, doch immer ein paar, die solch einem Begeisterten ihre Bewunderung nicht versagen können; sie werden sie ihm gerne mit den stärksten Ausdrücken bezeugen, es ist ihnen doch eine liebe Befriedigung, ihn verstehen zu lassen, daß sein Streben durchaus ihren Beifall, ihre Bewunderung habe, sie verhehlen nicht, daß es sie empöre, sehen zu müssen, wie da Niedertracht und Erbärmlichkeit ihm entgegenarbeiten. Aber bis hierher und nicht weiter. Sofern man darum von ihnen sagen kann, daß sie kein Hehl machen aus ihrer Empörung über die ungerechte Bedrängnis, die er zu leiden hat, muß dies doch mit einer gewissen Einschränkung verstanden werden: daß sie nämlich bei der Äußerung ihrer Empörung so vorsichtig sind, sich ein bißchen dagegen zu sichern, daß sie mit der gleichen Niedertracht in Ungelegenheiten kommen. Sie wählen zur Äußerung dieser Empörung darum ein gewisses Abseits, einen Ort und eine Umgebung, in der man sich ohne Gefahr äußern kann, z. B. die gesicherte Traulichkeit der Wohnstube, wo man in Gesellschaft mit dem Bewunderten und ein paar vertrauten Freunden, auf deren Schweigen man sich unbedingt verlassen kann, durchaus ohne die geringste Folge für die eigene Person die Stimme erheben und losdonnern kann, nach Heldenart mit der Faust auf den Tisch schlagen aus Ingrimm über die Erbärmlichkeit der Welt, - wo man "nicht bloß zum Vergnügen", aber doch auch nicht gerade im Ernst, in Helden- und Charakterrollen auftreten kann. Aber wo er, er, den sie ja bewundern, irgendwie sie verstehen ließe, ob sie sich nicht entschließen könnten, ihrerseits ebenso zu tun wie er und, anstatt Krieg zu spielen in der Wohnstube, in der Welt der Wirklichkeit für Wahrheit und Recht zu kämpfen: dann ist auf einmal alles anders, dann zieht sich die Bewunderung vorsichtig zurück, sie wird sogar böse auf ihn.

Und nicht etwa bloß "dann", sondern allein schon, wenn er ihre Bewunderung nicht dulden will, weil er begreift, daß Falschheit, Unwahrheit in ihr ist, werden sie böse auf ihn. Denn im Verhältnis zum Sittlichen bewundern wollen statt nachahmen, das ist nicht der schlechten Menschen, nein, das ist der besseren, wie man sie nennen muß, jedoch zugleich schwachen Menschen weichherzige Erfindung, vermittels deren sie sich für ihre Person aus dem Spiel zu halten suchen. Sie treten nur durch die Einbildungskraft in ein Verhältnis zu dem Bewunderten, er ist für sie gleich einem Schauspiel, nur daß er , weil es in der Wirklichkeit gespielt wird, etwas stärker wirkt. Für ihre eigene Person aber erheben sie die gleichen Forderungen, die man im Schauspielhause tut: selbst sicher und friedlich dazusitzen, jenseits jedes wirklichen Verhältnisses zur Gefahr, indessen sie es doch sich zum Vorteil anrechnen, daß sie ihn bewundern, und damit vermeinen sie wahrscheinlich - auf eine ziemlich billige und bequeme Weise, die zugleich beinahe ein bißchen wollüstig ist -, an seinen Verdiensten um Wahrheit und Recht teilzuhaben. Darum, wenn er ihre Bewunderung entgegennehmen will, so sind sie zu Diensten; sein Leben ist für sie dann ein Anlaß zum Jauchzen, das will heißen, Jauchzen mit der gehörigen Vorsicht, so daß man selbst mit der Gefahr nicht in Berührung kommt. Aber daß sein Leben eine Forderung sein solle, das wollen sie nicht verstehen; und schon allein wenn sie spüren, daß er selber meint, es sollte so sein, ist es mit der Bewunderung halb und halb vorbei: Sie stoßen sich an ihm; sein queres Wesen gibt ihnen nämlich einen Stoß, so daß sie nicht Ruhe finden können zu weichherziger Bewunderung, sie spüren, daß mit ihm umgehen beinahe heißt im Examen sein, insofern sein Leben, ob er gleich nichts sagt, das ihre einer stummen Prüfung unterzieht.

Aus: Greshake/Weismayer "Quellen geistlichen Lebens. Die Neuzeit", Matthias-Grünewald-Verlag, 1989

 

Letztes Update dieser Seite am  27.09.2002 um 10:15 

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