Erfüllte Zeit
Sonntag 4. 3. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die Versuchung Jesu" (Lukas 4, 1 - 13)
Das Sonntagsevangelium kommentiert 
Schwester Beatrix Mayrhofer

Treffpunkt Ökumene: 
"Zwischen Fasten und Wellness"

Es ist wieder in Mode gekommen - das Fasten. Gründe dafür haben aber weniger mit dem Christentum zu tun, sondern viel mehr mit dem Wunsch nach einer guten Figur, mit dem Bestreben, seinem Körper etwas Gutes zu tun oder seinen Willen zu stärken. Manchmal geht es auch darum, im körperlichen und im seelischen Sinn, unnötigen Ballast abzuwerfen, sich frei zu machen und das Wesentliche so besser erkennen zu können.

Dieser Zugang zum Fasten lässt sich durchaus mit den Fastentraditionen von Judentum, Christentum und Islam verbinden - es besteht aber keine notwendige Gemeinsamkeit.

Wo die traditionsreiche Praxis des religiös motivierten Fastens mit dem Wellness-Gedanken übereinstimmt aber auch wo es Widersprüche und Brüche gibt, davon ist im Treffpunkt Ökumene die Rede.

Zu Wort kommen unter anderem Generalvikar Dr. Johannes Kohl von der röm.-kath. Kirche, Pfarrerin Mag. Sieglinde Pfänder aus Rechnitz von der evangelischen Kirche A.B. und der rumänisch-orthodoxe Pfarrer Dr. Nicolae Dura.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

 

Fasten- und Passionsaktion der evangelischen Kirche Deutschlands "7 Wochen ohne"

 

Jesus wird zum Tode verurteilt
Jesus wird verraten und gefangengenommen, einem scharfen Verhör
unterzogen, barbarisch gefoltert, als König verspottet, mit Dornen gekrönt und schließlich zum Kreuzestod verurteilt.

Bei ihm gab es keine Sünde, und aus seinem Munde kam keine Lüge. Er war mutig. Er hat nicht gesagt: Ich bin die Tradition, sondern: Ich bin die Wahrheit. Im Namen der Wahrheit verwarf er Traditionen, die menschenverachtend waren und die Barmherzigkeit gegenüber dem Nächsten verhinderten.

Im Leiden und in der Verurteilung zeigt sich dann die Kraft der Wahrheit. Es ist nicht nötig, sie vor den Richtern zu verkünden. Darum schweigt Jesus. Nur seine Gelassenheit und seine Widerstandskraft sprechen durch sich selbst von der Wahrheit.

Er wurde in seiner Menschenwürde verletzt und antwortete nicht mit Beschimpfungen. Er wurde gefoltert und stieß keine Drohungen aus. Er überließ sich dem Vater, der in Gerechtigkeit richtet.

Jemanden verurteilen heißt immer, ihn symbolisch töten. Es ist ein Augenblick des Todes. Verurteilung nicht mit Verurteilung zu vergelten, sich nicht von der Rache, sondern von Erbarmen und Vergebung leiten zu lassen, das bedeutet hingegen, für den Hass unerreichbar zu werden, der fähig ist, zu verurteilen. Das ist ein Augenblick der Auferstehung.

Tausende mögen mit erhobenem Zeigefinger dastehen und uns verurteilen, unsere Ehre verletzen, unsere Absichten falsch darstellen und unsere Werke ungeschehen machen wollen - wenn aber unser Gewissen uns nicht verurteilt, hat uns tatsächlich niemand verurteilt.

Wir können auf vielerlei Art und Weise verurteilt sein: verurteilt zu unheilbarer Krankheit, verurteilt zu innerer und äußerer Einsamkeit, verurteilt zur Verbitterung, verurteilt und gefangengehalten hinter den Gittern unserer eigenen Unwissenheit, verurteilt zur Hoffnungslosigkeit, verurteilt zur Ungerechtigkeit, die unser Herz bluten lässt. Wenn aber unser Gewissen uns nicht verurteilt, hat niemand im Himmel und auf der Erde uns verurteilt.

Wenn aber unser Gewissen uns verurteilt, wenn es uns überall hin begleitet und unseren Egoismus, unsere Gefühllosigkeit und die Missachtung der Würde der anderen verurteilt, ja, dann sind wir verurteilt. Dies ist die Krise, die uns läutern kann.

Wenn wir glauben, dass Jesus, der unschuldig war, uns geliebt hat, dass er seine Verurteilung angenommen und dabei an uns gedacht hat, die wir ja alle Verurteilte sind, dass er sich für uns völlig hingegeben hat, wenn wir das wahrhaftig glauben, dann kommt aus der Tiefe der Hölle neues Leben hervor, das etwas von der Auferstehung hat. Es macht die Ketten zu einem Band der Brüderlichkeit. Es lässt den Kokon aufbrechen, der die Puppe und den Schmetterling vor unseren Augen verbarg. Die Anklageschrift und die Verurteilung sind zu einer frohen Botschaft der Barmherzigkeit geworden.

Aus: Leonardo Boff "Kreuzweg der Auferstehung", Patmos Verlag

 

Letztes Update dieser Seite am  02.08.2002 um 16:22 

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