Erfüllte Zeit
Sonntag 11. 3. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die Verklärung Jesu" (Lukas 9, 28b - 36)
Schwester Beatrix Mayrhofer 
kommentiert das Sonntagsevangelium

 

"Heilige Orte" - Orte der Andacht und Kraft

Es sind oft nicht goldbeladene Hochaltäre, die den religiös suchenden Menschen einladen und dem Glaubenden Kraft geben. Es sind meist auf den ersten Blick unscheinbare Orte, die ihre Heiligkeit erst dem erschließen, der sich Zeit zum Verweilen nimmt.

Solche heiligen Orte will die Diözese Oberösterreich in der Fastenzeit den Menschen besonders nahe bringen. Es sind Plätze wie etwa die Taufgrotte im ehemaligen Turbinenhaus der Tuchfabrik "Himmelreich & Zwicker", es sind Bilder eines unscheinbaren Seitenaltars, Bildstöcke am Rand eines Feldweges.

Martin Gross hat einige dieser Orte der Kraft besucht.

Fastenprojekt: Heilige Orte

 

Jesus nimmt das Kreuz auf seine Schultern

Sie haben Jesus ein schweres Kreuz auf die Schultern gelegt. Das Kreuz ist Ausdruck der Verurteilung durch die Menschen. Der Tod am Kreuz war die grausamste und erniedrigendste Strafe im Altertum, und sie wurde nur über Sklaven und Umstürzler verhängt. Das Kreuz ist auch das religiöse Zeichen der Verurteilung durch Gott. Es lässt keinen Zweifel daran, dass der Prophet falsch war und der Fromme ein Betrogener. Darum heißt es in der Schrift: »Verflucht sei, der da stirbt am Kreuz.« Diesen Fluch wollten die Feinde Jesu über ihn verhängen.

Die Menschen können die Zeichen der Verurteilung für ihre Zwecke einsetzen, aber Jesus hat die Kraft, die Bedeutung dieser Zeichen zu verändern. Er wird zurückgewiesen, er aber weist niemanden zurück, er verzeiht. Er wird verurteilt, er aber verurteilt niemanden, er nimmt alles freiwillig auf sich. Das Kreuz ist nun kein Zeichen der Verurteilung mehr, sondern Ausdruck der Erlösung, der Liebe, die sich opfert.

Darum lässt Jesus nicht zu, dass sie ihm das Kreuz auf die Schultern legen. Er kommt ihnen zuvor; er nimmt das Kreuz, umfängt es mit seinen Armen und trägt es, nicht wie ein Verurteilter , sondern wie ein freier Mensch. So frei kann nur der Sohn der Auferstehung sein.

Jeder von uns hat sein Kreuz zu tragen. Den Söhnen Adams ist es nicht gegeben, sich eine vollkommen erlöste und von keiner Schuld belastete Insel zu schaffen. Dies ist vielmehr das Reich Gottes: Verheißung und Prophetie für die Gerechten am Ende des Lebens und der Geschichte.

Oft sind wir uns selbst ein Kreuz und müssen uns mit dieser ungeheuren Last von Schwäche, Kleinlichkeit und Engherzigkeit ertragen. Und oft sind wir gezwungen, das Kreuz der Welt zu tragen, die wir nicht lieben, das Kreuz von Situationen, die wir verabscheuen, von Ideen und Werten, die wir ablehnen. Wir können dem nicht entfliehen, weil es keinen Fluchtweg gibt.

Fast immer ist unser großes Kreuz die Arbeit, die wir verrichten, die tägliche, monotone, anonyme und unaufhörliche Arbeit. Sie kann unser Leben verkürzen, weil sie den Geist schwächt und in uns das Gefühl der Ohnmacht hinterlässt.

Aber alles kann sich ändern. Wir hören die Stimme des Meisters: »Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach!« Wir dürfen nicht zulassen, dass das Kreuz unser Leben zerstört.

Immer wenn wir mutig das Kreuz auf uns nehmen, werden wir mit der im Kreuz verborgenen Wahrheit belohnt. Das Kreuz kann ein Werkzeug der Erlösung und der Würde sein. Die Friedenstaube, die geheimnisvollerweise aus dem Schmerz auffliegt, den wir auf uns genommen haben, kommt in unser Haus; und es wird hell. Es hat einen Sinn, jeden Tag freiwillig und tapfer unser Kreuz zu tragen. Es gibt uns die Freude am Leben zurück, weil es das Leben befreit. Alles hängt von dir ab, wie du dich selber annimmst, dem anderen begegnest und ihn mit Entschlossenheit aufnimmst.

Aus: Leonardo Boff "Kreuzweg der Auferstehung", Patmos-Verlag 

 

Letztes Update dieser Seite am  02.08.2002 um 16:22 

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