Maria Schaumayer

Maria Schaumayer

Maria Schaumayer

Maria Schaumayer


Erfüllte Zeit
Sonntag 18. 03. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Das Gespräch am Jakobsbrunnen" 
(Johannes 4, 5 - 36)

kommentiert von Dr. Arnold Mettnitzer

 

Leonardo Boff "Jesus fällt zum ersten Mal"

 

"Was glauben Sie?" - Maria Schaumayer

Die 1931 in Graz geborene Maria Schaumayer begann nach dem Studium der Wirtschaftswissenschaften ihre berufliche Laufbahn 1954 bei der Creditanstalt. 1965 ließ sie sich beurlauben, um einer Berufung in die Wiener Landesregierung zu folgen. Bis 1982 gehörte sie dem Wiener Gemeinderat an. Dann wechselte sie als Vorstandsmitglied zum österreichischen Mineralölkonzern ÖMV mit der Verantwortung für Finanz- und Rechnungswesen. Schaumayer profilierte sich dort als energische Verfechterin der Teilprivatisierung des damals dringend umstrukturierungsbedürftigen Ölkonzerns.

1989 schied sie altershalber aus der ÖMV AG aus, wechselte in den Ruhestand, der aber nur von kurzer Dauer war. Im Juni 1990 wurde sie zur Präsidentin der Österreichischen Nationalbank bestellt, eine Funktion, die sie bis Jänner 1995 innehatte.

Anfang des Jahres 2000 wurde Schaumayer Regierungsbeauftragte in Sachen Entschädigung von Holocaustopfern. Am 7.Juli 2000 beschließt das Parlament einstimmig ein Gesetz, mit dem die Entschädigungsleistungen der Republik Österreich an ehemalige NS-Zwangsarbeiter geregelt werden.

Maria Schaumayer ist Trägerin der höchsten Auszeichnungen für Verdienste um die Republik Österreich.

In der Reihe "Was glauben Sie?" spricht sie mit Johannes Kaup über ihre moralischen Prinzipien und ihren Glauben.

 

Jesus fällt zum ersten Mal
Das Kreuz ist schwer, und die Kräfte nehmen ab. Jesus stolpert,
taumelt und bricht unter dem Kreuz zusammen. Die Wunden reißen wieder auf, und Blut tritt heraus.

Die Heilige Schrift erinnert uns: Christus ist in allem seinen Brüdern gleich geworden. Er ging durch die gleichen Prüfungen hindurch wie wir, nur nicht durch die Sünde. Darum auch musste er hinnehmen, dass seine Kräfte begrenzt waren, und er musste den Staub der Straße kennen lernen. Jede Erfahrung von Begrenztheit bringt das Gefühl der Unterdrückung hervor und stärkt die Sehnsucht nach Befreiung.

Jesus hat das Gleichgewicht verloren, aber nicht die Perspektive. Er hat einen Schritt verfehlt, aber nicht den Weg. Darum steht er auch wieder auf. Mit dem Mut und der Demut, die der Fall ihn gelehrt hat, nimmt er das Kreuz wieder auf .

Jeder Mensch ist schwach. Aus Erde sind wir gemacht, und oft genug finden wir uns am Boden. Auf unserem Weg gibt es Hinterhalte, die uns stürzen lassen. Unzählige Male fallen wir und scheitern mit unseren höchsten Idealen, die in uns die Hoffnung und den Mut erweckten, den Stürmen des Lebens zu trotzen. Wir scheitern und fallen im Angesicht der Liebe, die unsere Existenz von Grund auf hält; wir durchschneiden das Band, schließen uns in uns selbst ein und blähen unser eigenes Ich auf .

Jeder Fall ist ein Drama, weil er unsere Bestrebungen und Ansprüche zunichte macht. Doch er muss nicht zu einer Tragödie werden. Wir können immer unseren Lebensweg wieder aufnehmen. Es gibt jedoch einen Fall, der die einzige wirkliche Tragödie des Menschen darstellt: den Fall in die Sünde. Wir weisen den Ruf unseres Gewissens zurück, hören nicht auf das Schreien unseres Bruders und lassen zu, dass Gott zu einem bloßen Wort wird, das wir ohne innere Anteilnahme aussprechen.

Die Sünde dringt bis in den Saft des Lebensbaums, weil sie die Wurzeln vergiftet. Sie ist ein Schnitt im Stamm, der die Weiterleitung der Lebenskräfte verhindert. Sie lässt die Wunde offen, die blutend das Leben verströmt.

Aber wenn jemand von dort unten aus dem Staub und Schmutz nicht verzweifelt, wenn er sein Herz für die Botschaft von der Vergebung öffnet, wenn er sich entschließt, seinen Weg wieder aufzunehmen, dann wird er das wahrhaft befreiende Wort vernehmen: 

"Deine Sünden sind dir vergeben. Steh auf und wandle!"

Dieser Mensch hat dann die Kraft, sein Kreuz wieder auf sich zu Nehmen und es guten Willens zu tragen. Dann wird von neuem die Weihnachtsbotschaft des Engels wahr: "Friede den Menschen auf Erden, die guten Willens sind!"

Aus: Leonardo Boff "Kreuzweg der Auferstehung", Patmos-Verlag

 

Begegnung am Jakobsbrunnen

Der Kärntner Künstlers Werner Hofmeister bezeichnet sich als "Quellensucher" und "Einbuchstabenschreiber", weil er sich in seiner Arbeit nur mehr für den Buchstaben Q = Quelle interessiert. Eine seiner Arbeiten stellt einen gekrümmten Wanderstab dar mit der Aufschrift: "Wo ist die Welt zu Ende?" - Wo ist ein Ort, an dem ich leben kann? Wo ist ein Mensch, der mir zu Herzen geht und zu Herzen redet?

Die Pilgerstäbe des Mittelalters sind "Fragezeichen" in diesem Sinn, ebenso auch die Hirtenstäbe der Bischöfe, wenn sie nicht durch allzuviel Prunk von der schlichten Dringlichkeit dieser Frage zu sehr ablenken.

Am Jakobsbrunnen begegnen einander zwei Menschen: Ein Wanderprediger und eine "Frau mit Geschichte", mit persönlichen Erfahrungen auf ihrer Suche nach einer Quelle, an der es sich leben läßt. Mit mehreren Männern hatte sie ihr Glück versucht, aber in keiner Beziehung bisher Bleibendes gefunden, - und so wandert sie von einem zum andern...

Und all das scheint der rätselhaft Fremde und doch irgendwie Vertraute zu wissen, oder mit den Augen seines Herzens zu sehen; - und er sagt ihr das ziemlich unverblümt auf den Kopf zu...

Die Samariterin am Jakobsbrunnen sucht Wasser und findet – einen Menschen, der so kostbar ist wie Wasser in der Wüste.

Was uns durch die Welt treibt, ist die ruhelose Suche nach so einem solchen Menschen, der mich versteht, bei dem ich mich nicht zu verstellen brauche, wo die Sorge um meine Fassade nicht wichtig ist, wo die "doppelte Buchführung" wegfallen kann, wo ich einfach so sein kann, wie ich bin. Wo es nichts mehr ausmacht, wenn einer um meine Wunden und offenen Fragen weiß.

Ein Mann schreibt seiner Frau nach schwieriger Zeit:
"Im Grunde gefällt mir, dass wir uns gegenseitig nichts mehr vormachen. Jeder einfach so, wie er ist; wobei natürlich mächtig viel Schmutz sichtbar wird. Macht nichts. Im Gegenteil. Eigentlich kommen wir nur so auf den Grund, stoßen uns daran ab und tauchen wieder hinauf ins Licht!"

Die Suche nach einer Quelle, an der man leben kann, ist keine Frage nach einer "Insel der Seligen", sondern eine Suche nach erkennbarem Sinn, nach dem Heilsamen, nach heilender Begegnung, nach Heiligem, eine Frage nach geglücktem Leben; oder mit Ingeborg Bachmann gesagt: Eine Frage nach dem Ort, an dem die Welt das Geheimnis ihrer Drehbarkeit hat, "wo sie noch keusch ist, wo sie noch nicht geliebt und geschändet worden ist, wo die Heiligen sich noch nicht für sie verwandt und die Verbrecher keinen Blutfleck gelassen haben".

Ein außerhalb der Bibel überliefertes Jesuswort sagt:
"Begegnet dir ein Mensch, begegnet dir Gott."

Nach der Botschaft der Propheten und Jesu führt der Hauptweg zu Gott über die tätige Zuwendung zum Menschen. Dort liegt die Quelle allen Lebens.

Unzählige Stellen im Neuen Testament belegen die individuelle und ausschließliche Zuwendung Jesu einem Einzelnen gegenüber. Das Individuum als unteilbare Ganzheit in seiner Gottebenbildlichkeit steht im Zentrum der Aufmerksamkeit, ihm wird ein Wert an sich selbst zugesprochen: Dieser Wert steht im Mittelpunkt menschlicher Begegnung.

Im Orient lernt man sich am Brunnen kennen. Er ist der Ort des Lebens, der in den Psalmen besungene "Ruheplatz am Wasser", für Nomaden und ihre Herden eine Art Paradies.

Die Samariterin am Jakobsbrunnen sucht Wasser – und findet einen Menschen, der sie verblüfft, der um sie weiß wie niemand zuvor, der sie "ganz weg" sein lässt und ihr neue Augen für ihre eigene Geschichte gibt.

Egal, was war, und gleichgültig, was geschehen wird: Es ist die menschliche Begegnung die Quelle des Lebens, der Ort der Gnade und der Kraft. Wo das spürbar wird, erntet jeder, obwohl er nicht gesät hat und es wird ihm geschenkt, wofür er nicht gearbeitet hat: aus seinem Inneren beginnt lebendiges Wasser zu fließen...

 

Letztes Update dieser Seite am  27.09.2002 um 10:15 

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