Benediktinermönche in Pannonhalma

Abtei Pannonhalma

Hauptaltar

Heiliger Benedikt


Erfüllte Zeit
Sonntag 25. 3. 2001 
7.05 Uhr - 8.00 Uhr
,  Radio Österreich 1

 

"Die Gleichnisse vom verlorenen Sohn und vom verlorenen Schaf (Lukas 15, 1 - 3. 11 - 32)
Dr. Arnold Mettnitzer kommentiert das Sonntagsevangelium

 

"Pannonhalma" - Die Abtei als Zentrum des katholisch-orthodoxen Dialoges

Die westungarische Benediktinerabtei Pannonhalma hat in verschiedener Hinsicht eine Brückenfunktion inne: einerseits hat man von hier aus schon zu Zeiten des Eisernen Vorhanges intensive Kontakte zu Österreich gepflegt. Schon vor Jahrzehnten war es möglich, dass ein Konventsmitglied der Abtei im Burgenland als Gemeindepfarrer tätig war.

Andererseits pflegen die Mönche aber auch schon seit langer Zeit intensive Kontakte in den Osten: der Kontakt mit der Orthodoxie spielt in Pannonhalma eine zentrale Rolle. Die Benediktiner leisten auf diese Weise einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Verbesserung des nicht immer reibungslosen Verhältnisses zwischen Orthodoxie und römisch-katholischer Kirche.

Gestaltung: Brigitte Krautgartner

Buchtipps:
Gaspar Csoka/Kornel Szovak/Imre Takacs "Pannonhalma",
ISBN 963 9053 05 8
ISBN 963 8155 35 3

Pannonhalma

 

Veronika reicht Jesus das Schweißtuch
Wenn wir die entstellten Gesichter nicht beachten, die uns sagen, wer heute der leidende Gottesknecht Jesus Christus in unserer Mitte ist, dann heißt das, dass unsere Gebete Gotteslästerung und all unsere Gottesverehrung Götzendienst sind.

Leid erzeugt bei aufmerksamen Seelen Mit-Leid. Veronika drängt sich durch die Menge und trocknet das Gesicht Jesu, das von Speichel, Schweiß und Blut bedeckt ist. Ihrem Tuch bleibt das schmerzverzerrte Gesicht Jesu fest eingeprägt.

Schon immer haben die Frommen gefleht: "Herr, zeige uns dein Angesicht!" Gott hat die uralte Bitte erfüllt: Im blutüberströmten Gesicht Jesu offenbart sich das Angesicht Gottes.

Gott wollte nicht sein Gesicht als allmächtiger Herr, als Schöpfer des Himmels und der Erde offenbaren. Er zeigte uns nicht das Gesicht des gerechten, heiligen und schrecklichen Richters. Er wollte sein Gesicht als leidender Knecht offenbaren. Nur so konnte er die ganze Radikalität seiner Liebe bekunden.

Durch Jesus ging Gottes Liebe so weit, dass sie sich mit den am meisten gequälten leidenden Menschen identifizierte. Er ließ sich entstellen, ließ jede Schönheit und Anmut zerstören, ließ sich zum Abschaum der Menschheit erniedrigen. Er nahm unsere Schuld auf sich und trug unser Wehklagen.

Dies ist das Gesicht des Gottes Jesu Christi, in dem er erkannt werden will, in dem man ihn lieben und ihm dienen soll. Kann man noch gleichgültig bleiben, wenn man dieses schmerzerfüllte Gesicht sieht? Es reißt alle Mauern des Widerstands nieder. Es lässt uns ganz offen sein für die reine Liebe.

Wir müssen aufmerksam die Erscheinungen des Herrn heute verfolgen. Nur so beenden wir unsere Illusionen, und nur so begegnen wir wirklich Gott. Es gibt viele Gesichter, durch die er uns anschaut, uns anruft, uns folgt, uns anfleht und zu uns spricht.

Gesichter von unterernährten Kindern, von verwahrlosten Jugendlichen, von jungen Mädchen, die sich prostituieren. Gesichter von entwurzelten Indianern, von diskriminierten Schwarzen, von ausgeplünderten Bauern, denen man ihr Land genommen hat. Gesichter von ausgebeuteten Arbeitern, von entstellten Frauen, von Randexistenzen, die unterdrückt werden.

Tausende von Gesichtern schreien uns dieselbe Botschaft entgegen: Wir wollen leben! Alle klopfen an die Tür der Gesellschaft und bitten um fast nichts, das doch alles ist: Wir wollen Mensch sein dürfen!

Wir sind herausgefordert, Veronika zu sein. Wenn wir diese Gesichter nicht beachten, die uns sagen, dass auch jetzt der leidende Gottesknecht Jesus Christus in unserer Mitte ist, dann heißt das, dass unsere Gebete Gotteslästerung sind und all unsere Gottesverehrung Götzendienst ist.

Diese Gesichter rufen nicht zum stillen Nachdenken auf, sondern zum Handeln. Nur der ist dem Gott der Geschichte treu, der Schweiß und Tränen der Ärmsten trocknet, der ihren Hunger stillt, ihre Wunden versorgt und ihnen durch seine Solidarität und sein Dienen den Glanz ihrer Menschenwürde wiedergibt.

Aus: Leonardo Boff "Kreuzweg der Auferstehung"
Patmos Verlag

 

Der barmherzige Vater

Der Abschnitt aus dem Lukasevangelium zählt für mich zu den Perlen der Weltliteratur. Ich nenne ihn "das Gleichnis vom barmherzigen Vater".

Wie beim "ungläubigen Thomas" reden wir hier gerne "vom verlorenen Sohn" und legen das Augenmerk auf die negativen Aspekte "verloren" und "ungläubig". Die Erzählrichtung aber hat das Positive im Sinn.

In der Perspektive einer positiven Betrachtung kommt eine ganz andere Dynamik ins Spiel. Da ist die Rede von einem verständnisvollen, verzeihenden, liebenden, barmherzigen Vater. Das Wort "Barmherzigkeit" heißt im biblischen Urtext wörtlich: Mutterschoß, Mütterlichkeit.

"Mütterlichkeit will ich, nicht Brandopfer, Muttersinn, nicht Schlachtopfer" heißt es an anderer Stelle der Bibel: Im Gleichnis begegnet uns also ein "Vater mit Muttersinn", gewissermaßen ein "mütterlicher Vater", ein warmherziger Mensch, der sein Kind um nichts in der Welt fallen lässt, der in unbedingter Zusage auf es wartet und die Hoffnung nicht aufgibt, dass es zurückkommt...

Christine Busta hat es so ausgedrückt:
"Das einzige Haben,
das uns ohne Gewähr gegeben ist,
ist das Liebhaben.
Einen Menschen um seinetwillen liebhaben,
und wenn er die Kraft übersteigt,
ihn um Gottes willen nicht fallen lassen."

Es wäre zu schön, könnten wir "Seelsorge" in diesem Sinn begreifen als eine Sorge, die sich dem lebendigen Menschen mit all seinen Abgründen und krummen Touren verpflichtet weiß. Dann aber müsste sie daran gemessen werden, ob sie den Menschen in größere Freiheit oder in größere Abhängigkeit führen will. Paulus schreibt den Korinthern: "Wir wollen ja nicht Herren über euren Glauben sein, sondern wir sind Helfer zu eurer Freude" (2 Kor 1, 24).

Ganz in diesem Sinn hat einmal Altbischof Reinhold Stecher in heiligem Zorn dem Papst einen Brief geschrieben und ihm vorgeworfen, nicht genug Barmherzigkeit zu zeigen, nicht genug Muttersinn zu haben: weil offensichtlich in der Gemeinschaft der Kirche die Sorge um den Neid der daheim gebliebenen älteren Brüder größer ist als die Freude über den Heimgekehrten...

Vielleicht sollten wir doch damit beginnen, von Frauen ungenierter gerade diesen "Muttersinn zu lernen...

In einem anderen Bild des NT sehen wir den "Guten Hirten" mit der selben mütterlichen Grundhaltung: Er wartet nicht zu Hause, sondern begibt sich auf die Suche. Er lässt die Herde für eine Zeit allein im Vertrauen darauf, dass sie sich für eine Zeit selbst versorgen kann, dass er ihr nicht alles vorkauen muss; er aber geht auf die Suche, - so lange, bis das Verlorene gefunden ist.

Das Suchen, das Nachgehen und nicht Nicht-aufgeben, das Tragen, das ist das Lebensprinzip des Jesus aus Nazareth, gewissermaßen sein therapeutisches Konzept.

Es könnte ja auch möglich sein, dass die Kirche als ganze manchmal dem davongelaufenen Sohn gleicht, der fremd geht und seine Prinzipien über Bord wirft und in der Ferne zunächst ganz vergessen hat, dass sein Vater warmherzig

und gut und vorallem nicht nachtragend ist: der Heimkehrer wird nicht belehrt, nicht dirigiert, nicht manipuliert, sondern einfach nur umarmt und willkommen geheißen.

Eine Kultur in dieser Frage könnten wir alle dringend brauchen.

Erich Fromm hat schon vor über 50 Jahren die Frage gestellt, ob Religion weiter autoritär bleiben oder ob sie noch humanitär - barmherzig - werden kann.

 

Letztes Update dieser Seite am  18.12.2002 um 13:57 

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